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295 lines
12 KiB
TeX

\chapter{Topologische Grundbegriffe}
\section{Vorgeplänkel}
Die Kugeloberfläche $S^2$ lässt sich durch strecken, stauchen
und umformen zur Würfeloberfläche oder
der Oberfläche einer Pyramide verformen, aber nicht zum $\mdr^2$
oder zu einem Torus. Für den $\mdr^2$ müsste man die Oberfläche
unendlich ausdehnen und für einen Torus müsste man ein Loch machen.
\begin{figure}[ht]
\centering
\subfigure[$S^2$]{
\input{figures/s2.tex}
\label{fig:s2}
}%
\subfigure[Würfel]{
\input{figures/cube.tex}
\label{fig:cube}
}%
\subfigure[Pyramide]{
\input{figures/pyramid.tex}
\label{fig:pyramide}
}
\subfigure[$\mdr^2$]{
\input{figures/plane-r2.tex}
\label{fig:pyramide}
}%
\subfigure[Torus]{
\input{figures/torus.tex} \xindex{Torus}
\label{fig:torus}
}
\label{Formen}
\caption{Beispiele für verschiedene Formen}
\end{figure}
\section{Topologische Räume}
\begin{definition} \xindex{Raum!topologischer} \xindex{offen} \xindex{abgeschlossen}
Ein \textbf{topologischer Raum} ist ein Paar $(X, \fT)$ bestehend
aus einer Menge $X$ und $\fT \subseteq \powerset{X}$ mit
folgenden Eigenschaften
\begin{enumerate}[(i)]
\item $\emptyset, X \in \fT$
\item Sind $U_1, U_2 \in \fT$, so ist $U_1 \cap U_2 \in \fT$
\item Ist $I$ eine Menge und $U_i \in \fT$ für jedes $i \in I$,
so ist $\displaystyle \bigcup_{i \in I} U_i \in \fT$
\end{enumerate}
Die Elemente von $\fT$ heißen \textbf{offene Teilmengen} von $X$.
$A \subseteq X$ heißt \textbf{abgeschlossen}, wenn $X \setminus A$ offen ist.
\end{definition}
Es gibt auch Mengen, die weder abgeschlossen, noch offen sind wie z.~B. $[0,1)$.
Auch gibt es Mengen, die sowohl abgeschlossen als auch offen sind.
\begin{beispiel}
\begin{enumerate}[1)]
\item $X = \mdr^n$ mit der euklidischen Metrik.\\ \xindex{Topologie!euklidische}
$U \subseteq \mdr^n$ offen $\gdw$ für jedes $x \in U$
gibt es $r > 0$, sodass $B_r(x) = \Set{y \in \mdr^n | d(x,y) < r} \subseteq U$\\
Also: $\fT = \Set{M \subseteq X | M \text{ ist offene Kugel}}$
\item Allgemeiner: $(X, d)$ metrischer Raum
\item $X$ Menge, $\fT = \Set{\emptyset, X}$ heißt \enquote{triviale Topologie} \xindex{Topologie!triviale}
\item $X$ Menge, $\fT = \powerset{X}$ heißt \enquote{diskrete Topologie} \xindex{Topologie!diskrete}
\item $X :=\mdr, \fT_Z := \Set{U \subseteq \mdr | \mdr \setminus U \text{ endlich}} \cup \Set{\emptyset}$ heißt \enquote{Zariski-Topologie} \xindex{Topologie!Zariski}\\
Beobachtung: $U \in \fT_Z \gdw \exists f \in \mdr[X]$, sodass $\mdr \setminus U = V(f) = \Set{x \in \mdr | f(x) = 0}$
\item $X := \mdr^n, \fT_Z = \{U \subseteq \mdr^n | \text{Es gibt Polynome } f_1, \dots, f_r \in \mdr[X_1, \dots, X_n] \text{ sodass }\\\mdr^n \setminus U = V(f_1, \dots, f_r)\}$
\item $X = \Set{0,1}, \fT = \Set{\emptyset, \Set{0,1}, \Set{0}}$\\
abgeschlossene Mengen: $\emptyset, \Set{0,1}, \Set{1}$
\end{enumerate}
\end{beispiel}
\begin{definition} \xindex{Umgebung}
Sei $(X, \fT)$ ein topologischer Raum, $x \in X$.
Eine Teilmenge $U \subseteq X$ heißt \textbf{Umgebung} von $x$,
wenn es ein $U_0 \in \fT$ gibt mit $x \in U_0$ und $U_0 \subseteq U$.
\end{definition}
\begin{definition}
Sei $(X, \fT)$ ein topologischer Raum, $M \subseteq X$ eine Teilmenge.
\begin{enumerate}[a)]
\item $\displaystyle M^\circ := \Set{x \in M | M \text{ ist Umgebung von } x} = \bigcup_{\stackrel{U \subseteq M} {U \in \fT}} U $ heißt \textbf{Inneres} oder \textbf{ offener Kern} von $M$. \xindex{Inneres} \xindex{Kern!offener}
\item $\displaystyle \overline{M} := \bigcap_{\stackrel{M \subseteq A}{A \text{ abgeschlossen}}} A$ heißt \textbf{abgeschlossene Hülle} oder \textbf{Abschluss} von $M$. \xindex{Abschluss}
\item $\partial M := \overline{M} \setminus M^\circ$ heißt \textbf{Rand} von $M$. \xindex{Rand}
\item $M$ heißt \textbf{dicht} in $X$, wenn $\overline{M} = X$ ist. \xindex{dicht}
\end{enumerate}
\end{definition}
\begin{beispiel}
\begin{enumerate}[1)]
\item $X = \mdr$ mit euklidischer Topologie\\
$M = \mdq \Rightarrow \overline{M} = \mdr, \;\;\; M^\circ = \emptyset$
\item $X = \mdr$, $M=(a,b) \Rightarrow \overline{M} = [a,b]$
\item $X = \mdr, \fT = \fT_Z$\\
$M = (a,b) \Rightarrow \overline{M} = \mdr$
\end{enumerate}
\end{beispiel}
\begin{definition} \xindex{Basis} \xindex{Subbasis}
Sei $(X, \fT)$ ein topologischer Raum.
\begin{enumerate}[a)]
\item $\fB \subseteq \fT$ heißt \textbf{Basis} der Topologie $\fT$,
wenn jedes $U \in \fT$ Vereinigung von Elementen aus $\fB$
ist.
\item $\fB \subseteq \fT$ heißt \textbf{Subbasis}, wenn jedes
$U \in \fT$ Vereinigung von endlich vielen Durchschnitten
von Elementen aus $\fB$ ist.
\end{enumerate}
\end{definition}
\begin{beispiel}
Gegeben sei $X = \mdr^n$ mit euklidischer Topologie $\fT$. Dann ist
\[\fB = \Set{B_r(x) | r \in \mdq_{> 0}, x \in \mdq^n}\]
ist eine abzählbare Basis von $\fT$.
\end{beispiel}
\begin{bemerkung}
Sei $X$ eine Menge und $\fB \subseteq \powerset{X}$. Dann gibt es
genau eine Topologie $\fT$ auf $X$, für die $\fB$ Subbasis ist.
\end{bemerkung}
\begin{definition} \xindex{Spurtopologie} \xindex{Teilraum}
Sei $(X, \fT)$ ein topologischer Raum, $Y \subseteq X$.\\
$\fT_Y := \Set{U \cap Y | U \in \fT}$ ist eine Topologie auf $Y$.
$\fT_Y$ heißt \textbf{Spurtopologie} und $(Y, \fT_Y)$ heißt ein
\textbf{Teilraum} von $(X, \fT)$
\end{definition}
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
% Mitschrieb vom 24.10.2013 %
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
\begin{definition} \xindex{Produkttopologie}
Seien $X_1, X_2$ topologische Räume.\\
$U \subseteq X_1 \times X_2$ sei offen, wenn es zu jedem $x = (x_1, x_2) \in U$
Umgebungen $U_i$ um $x_i$ mit $i=1,2$ gibt, sodass $U_1 \times U_2 \subseteq U$
gilt.
$\fT = \Set{U \subseteq X_1 \times X_2 | U \text{ offen}}$
ist eine Topologie auf $X_1 \times X_2$. Sie heißt \textbf{Produkttopologie}.
$\fB = \Set{U_1 \times U_2 | U_i \text{ offen in } X_i, i=1,2}$
ist eine Basis von $\fT$.
\end{definition}
\begin{figure}[htp]
\centering
\input{figures/neighbourhood-topology}
\caption{Zu $x=(x_1, x_2)$ gibt es Umgebungen $U_1, U_2$ mit $U_1 \times U_2 \subseteq U$}
\end{figure}
\begin{beispiel}
\begin{enumerate}[1)]
\item $X_1 = X_2 = \mdr$ mit euklidischer Topologie.\\
$\Rightarrow$ Die Produkttopologie auf $\mdr \times \mdr = \mdr^2$
stimmt mit der euklidischen Topologie auf $\mdr^2$ überein.
\item $X_1 = X_2 = \mdr$ mit Zariski-Topologie.
$\fT$ Produkttopologie auf $\mdr^2$: $U_1 \times U_2$\\
(Siehe Abb. \ref{fig:zariski-topologie})
\end{enumerate}
\begin{figure}[htp]
\centering
\input{figures/zariski-topology}
\caption{Zariski-Topologie auf $\mdr^2$}
\label{fig:zariski-topologie}
\end{figure}
\end{beispiel}
\begin{definition} \xindex{Quotiententopologie}
Sei $X$ topologischer Raum, $\sim$ eine Äquivalenzrelation auf $X$,
$\overline{X} = X /_\sim$ sei die Menge der Äquivalenzklassen,
$\pi: x \rightarrow \overline{x}, \;\;\; x \mapsto [x]_\sim$,
$U \subseteq \overline{X}$ heißt offen, wenn $\pi^{-1} (U) \subseteq X$
offen ist. Dadurch wird eine Topologie auf $\overline{X}$ definiert.
Diese Topologie heißt \textbf{Quotiententopologie}.
\end{definition}
\begin{beispiel}
$X = \mdr, a \sim b \Leftrightarrow a-b \in \mdz$
\input{figures/number-ray-circle-topology}
$0 \sim 1$, d.~h. $[0] = [1]$
\end{beispiel}
\begin{beispiel}
\begin{align*}
X = \mdr^2, (x_1, y_1) \sim (x_2, y_2) \Leftrightarrow &x_1 - x_2 \in \mdz\\
&y_1 - y_2 \in \mdz
\end{align*}
$X /_\sim$ ist ein Torus.
\end{beispiel}
\begin{beispiel}
\begin{align*}
X= \mdr^{n-1} \setminus \Set{0}, x \sim y &\gdw \exists \lambda \in \mdr^\times \text{ mit } y = \lambda x\\
&\gdw x \text{ und } y \text{ liegen auf der gleichen Ursprungsgerade}
\end{align*}
\[\overline{X} = \mathbb{P}^n(\mdr)\]
Also für $n=1$:\nopagebreak\\
\input{figures/ursprungsgeraden}
\end{beispiel}
\section{Metrische Räume}
\begin{definition} \xindex{Metrik} \xindex{Raum!metrischer}
Sei $X$ eine Menge. Eine Abbildung $d:X\times X \rightarrow \mdr$
heißt \textbf{Metrik}, wenn gilt:
\begin{enumerate}[(i)]
\item $\forall x, y \in X: d(x,y) \geq 0$
\item $d(x,y) = 0 \gdw x = y$
\item $d(x,y) = d(y,x)$
\item $d(x,z) \leq d(x,y) + d(x+z)$
\end{enumerate}
Das Paar $(X, d)$ heißt ein \textbf{metrischer Raum}.
\end{definition}
\begin{bemerkung}
Sei $(X, d)$ ein metrischer Raum und
\[\fB_r(x) := \Set{y \in X | d(x,y) < r} \text{ für } x \in X, r \in \mdr^+\]
$\fB$ ist Basis einer Topologie auf $X$.
\end{bemerkung}
\begin{beispiel}
Sei $V$ ein euklidischer oder hermiteischer Vektorraum mit Skalarprodukt
$\langle \cdot , \cdot \rangle$.
Dann wird $V$ durch $d(x,y) := \sqrt{\langle x-y, x-y \rangle}$ zum metrischen Raum.
\end{beispiel}
\begin{beispiel}[diskrete Metrik] \xindex{Metrik!diskrete} \xindex{Topologie!diskrete}
Sei $X$ eine Menge. Dann heißt
\[d(x,y) = \begin{cases}
0 & \text{falls } x=y\\
1 & \text{falls } x \neq y
\end{cases}\]
die \textbf{diskrete Metrik}. Die Metrik $d$ induziert die
\textbf{diskrete Topologie}.
\end{beispiel}
\begin{beispiel}
$X = \mdr^2$ und $d\left ((x_1, y_1), (x_2, y_2)\right ) := \max(\|x_1 - x_2\|, \|y_1 - y_2\|)$
ist Metrik.
\emph{Beobachtung:} $d$ erzeugt die eukldische Topologie.
\begin{figure}[ht]
\centering
\subfigure[$\fB_r(0)$]{
\input{figures/open-square}
\label{fig:open-square}
}%
\subfigure[Euklidische Topologie]{
\input{figures/quadrat-in-kreis-in-dots}
\label{fig:quadrat-in-kreis-in-dots}
}%
\label{Formen}
\caption{Veranschaulichungen zur Metrik $d$}
\end{figure}
\end{beispiel}
\begin{beispiel}[SNCF-Metrik\footnote{Diese Metrik wird auch \enquote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Franz\%C3\%B6sische_Eisenbahnmetrik}{französische Eisenbahnmetrik}} genannt.}] \xindex{Metrik!SNCF}
$X = \mdr^2$
\input{figures/sncf-metrik}
\end{beispiel}
\begin{definition} \xindex{Raum!hausdorffscher}
Ein topologischer Raum $X$ heißt \textbf{Hausdorffsch}, wenn es
für je zwei Punkte $x \neq y$ in $X$ Umgebungen $U_x$ um $x$
und $U_y$ um $y$ gibt, sodass $U_x \cap U_y = \emptyset$.
\end{definition}
\begin{bemerkung}
Metrische Räume sind hausdorffsch, da
\[d(x,y) > 0 \Rightarrow \exists \varepsilon: \fB_\varepsilon(x) \cap \fB_\varepsilon(y) = \emptyset\]
Ein Beispiel für einen topologischen Raum, der nicht hausdorfsch ist,
ist $(\mdr, \fT_Z)$.
\end{bemerkung}
\begin{bemerkung}
Seien $X, X_1, X_2$ Hausdorff-Räume.
\begin{enumerate}[a)]
\item Jeder Teilraum um $X$ ist Hausdorffsch.
\item $X_1 \times X_2$ ist Hausdorffsch.
\end{enumerate}
\begin{figure}[htp]
\centering
\input{figures/topology-metric-hausdorff}
\caption{Wenn $X_1, X_2$ hausdorffsch sind, dann auch $X_1 \times X_2$}
\end{figure}
\end{bemerkung}