%!TEX root = Programmierparadigmen.tex \chapter{$\lambda$-Kalkül} Der $\lambda$-Kalkül (gesprochen: Lambda-Kalkül) ist eine formale Sprache. In diesem Kalkül gibt es drei Arten von Termen $T$: \begin{itemize} \item Variablen: $x$ \item Applikationen: $(T S)$ \item Lambda-Abstraktion: $\lambda x. T$ \end{itemize} In der Lambda-Abstraktion nennt man den Teil vor dem Punkt die \textit{Parameter} der $\lambda$-Funktion. Wenn etwas dannach kommt, auf die die Funktion angewendet wird so heißt dieser Teil das \textit{Argument}: \[(\lambda \underbrace{x}_{\mathclap{\text{Parameter}}}. x^2) \overbrace{5}^{\mathclap{\text{Argument}}} = 5^2\] \begin{beispiel}[$\lambda$-Funktionen] \begin{bspenum} \item $\lambda x. x$ heißt Identität. \item $(\lambda x. x^2)(\lambda y. y + 3) = \lambda y. (y+3)^2$ \item \label{bsp:lambda-3} $\begin{aligned}[t] &(\lambda x.\Big (\lambda y.yx \Big ))~ab\\ \Rightarrow&(\lambda y.ya)b\\ \Rightarrow&ba \end{aligned}$ \end{bspenum} In \cref{bsp:lambda-3} sieht man, dass $\lambda$-Funktionen die Argumente von Links nach rechts einziehen. \end{beispiel} Die Funktionsapplikation sei linksassoziativ. Es gilt also: \[a~b~c~d = ((a~b)~c)~d\] \begin{definition}[Gebundene Variable]\xindex{Variable!gebundene}% Eine Variable heißt gebunden, wenn sie der Parameter einer $\lambda$-Funktion ist. \end{definition} \begin{definition}[Freie Variable]\xindex{Variable!freie}% Eine Variable heißt \textit{frei}, wenn sie nicht gebunden ist. \end{definition} \begin{satz} Der untypisierte $\lambda$-Kalkül ist Turing-Äquivalent. \end{satz} \section{Reduktionen}\index{Reduktionen|(} \begin{definition}[Redex]\xindex{Redex}% Eine $\lambda$-Term der Form $(\lambda x. t_1) t_2$ heißt Redex. \end{definition} \begin{definition}[$\alpha$-Äquivalenz] Zwei Terme $T_1, T_2$ heißen $\alpha$-Äquivalent, wenn $T_1$ durch konsistente Umbenennung in $T_2$ überführt werden kann. Man schreibt dann: $T_1 \overset{\alpha}{=} T_2$. \end{definition} \begin{beispiel}[$\alpha$-Äquivalenz] \begin{align*} \lambda x.x &\overset{\alpha}{=} \lambda y. y\\ \lambda x. x x &\overset{\alpha}{=} \lambda y. y y\\ \lambda x. (\lambda y. z (\lambda x. z y) y) &\overset{\alpha}{=} \lambda a. (\lambda x. z (\lambda c. z x) x) \end{align*} \end{beispiel} \begin{definition}[$\beta$-Äquivalenz] Eine $\beta$-Reduktion ist die Funktionsanwendung auf einen Redex: \[(\lambda x. t_1) t_2 \Rightarrow t_1 [x \mapsto t_2]\] \end{definition} \begin{beispiel}[$\beta$-Äquivalenz] \begin{defenum} \item $(\lambda x.x) y \overset{\beta}{\Rightarrow} x[x \mapsto y] = y$ \item $(\lambda x. x (\lambda x. x)) (y z) \overset{\beta}{\Rightarrow} (x(\lambda x. x))[x \mapsto y z] (y z) (\lambda x. x)$ \end{defenum} \end{beispiel} \begin{definition}[$\eta$-Äquivalenz] Zwei Terme $\lambda x. f~x$ und $f$ heißen $\eta$-Äquivalent, wenn $x$ nicht freie Variable von $f$ ist. \end{definition} \begin{beispiel}[$\eta$-Äquivalenz] TODO \end{beispiel} \index{Reduktionen|)} \section{Auswertungsstrategien} \begin{definition}[Normalenreihenfolge]\xindex{Normalenreihenfolge}% In der Normalenreihenfolge-Auswertungsstrategie wird der linkeste äußerste Redex ausgewertet. \end{definition} \begin{definition}[Call-By-Name]\xindex{Call-By-Name}% In der Call-By-Name Auswertungsreihenfolge wird der linkeste äußerste Redex reduziert, der nicht von einem $\lambda$ umgeben ist. \end{definition} Die Call-By-Name Auswertung wird in Funktionen verwendet. Haskell verwendet die Call-By-Name Auswertungsreihenfolge zusammen mit \enquote{sharing}. Dies nennt man Lazy Evaluation. \todo[inline]{Was ist sharing?} \begin{definition}[Call-By-Value]\xindex{Call-By-Value}% In der Call-By-Value Auswertung wird der linkeste Redex reduziert, der nicht von einem $\lambda$ umgeben ist und dessen Argument ein Wert ist. \end{definition} Die Call-By-Value Auswertungsreihenfolge wird in C und Java verwendet. Auch in Haskell werden arithmetische Ausdrücke in der Call-By-Name Auswertungsreihenfolge reduziert. \section{Church-Zahlen} Im $\lambda$-Kalkül lässt sich jeder mathematische Ausdruck darstellen, also insbesondere beispielsweise auch $\lambda x. x+3$. Aber \enquote{$3$} und \enquote{$+$} ist hier noch nicht das $\lambda$-Kalkül. Zuerst müssen wir uns also Gedanken machen, wie man natürliche Zahlen $n \in \mdn$ darstellt. Dafür dürfen wir nur Variablen und $\lambda$ verwenden. Eine Möglichkeit das zu machen sind die sog. \textit{Church-Zahlen}. Dabei ist die Idee, dass die Zahl angibt wie häufig eine Funktion $f$ auf eine Variable $z$ angewendet wird. Also: \begin{itemize} \item $0 := \lambda f~z. z$ \item $1 := \lambda f~z. f z$ \item $2 := \lambda f~z. f (f z)$ \item $3 := \lambda f~z. f (f (f z))$ \end{itemize} Auch die gewohnten Operationen lassen sich so darstellen. \begin{beispiel}[Nachfolger-Operation] \begin{align*} \succ :&= \lambda n f z. f (n f z)\\ &= \lambda n. (\lambda f (\lambda z f (n f z))) \end{align*} Dabei ist $n$ die Zahl. Will man diese Funktion anwenden, sieht das wie folgt aus: \begin{align*} \succ 1&= (\lambda n f z. f(n f z)) 1\\ &= (\lambda n f z. f(n f z)) \underbrace{(\lambda f~z. f z)}_{n}\\ &= \lambda f z. f (\lambda f~z. f z) f z\\ &= \lambda f z. f (f z)\\ &= 2 \end{align*} \end{beispiel} \begin{beispiel}[Vorgänger-Operation] \begin{align*} \pair&:= \lambda a. \lambda b. \lambda f. f a b\\ \fst &:= \lambda p. p (\lambda a. \lambda b. a)\\ \snd &:= \lambda p. p (\lambda a. \lambda b. b)\\ \nxt &:= \lambda p. \pair (\snd p)~(\succ (\snd p))\\ \pred&:= \lambda n. \fst (n \nxt (\pair c_0 c_0)) \end{align*} \end{beispiel} \begin{beispiel}[Addition] \begin{align*} \text{plus} &:= \lambda m n f z. m f (n f z) \end{align*} Dabei ist $m$ der erste Summand und $n$ der zweite Summand. \end{beispiel} \begin{beispiel}[Multiplikation] \begin{align*} \text{times} :&= \lambda m n f. m~s~(n~f~z)\\ &\overset{\eta}{=} \lambda m n f z. n (m s) z \end{align*} Dabei ist $m$ der erste Faktor und $n$ der zweite Faktor. \end{beispiel} \begin{beispiel}[Potenz] \begin{align*} \text{exp} :&= \lambda b e. eb\\ &\overset{\eta}{=} \lambda b e f z. e b f z \end{align*} Dabei ist $b$ die Basis und $e$ der Exponent. \end{beispiel} \section{Church-Booleans} \begin{definition}[Church-Booleans]\xindex{Church-Booleans}% \texttt{True} wird zu $c_{\text{true}} := \lambda t. \lambda f. t$.\\ \texttt{False} wird zu $c_{\text{false}} := \lambda t. \lambda f. f$. \end{definition} \section{Weiteres} \begin{satz}[Satz von Curch-Rosser] Wenn zwei unterschiedliche Terme $a$ und $b$ äquivalent sind, d.h. mit Reduktionsschritten beliebiger Richtung ineinander transformiert werden können, dann gibt es einen weiteren Term $c$, zu dem sowohl $a$ als auch $b$ reduziert werden können. \end{satz}