%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% % Mitschrieb vom 03.12.2013 % %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% \chapter{Fundamentalgruppe und Überlagerungen} \section{Homotopie von Wegen} \begin{figure}[ht] \centering \subfloat[$\gamma_1$ und $\gamma_2$ sind homotop, da man sie \enquote{zueinander verschieben} kann.]{ \input{figures/topology-homotop-paths.tex} \label{fig:homotope-wege-anschaulich} }\hspace{1em}% \subfloat[$\gamma_1$ und $\gamma_2$ sind wegen dem Hindernis nicht homotop.]{ \input{figures/topology-non-homotop-paths.tex} \label{fig:nicht-homotope-wege-anschaulich} } \label{fig:paths-homotop-example-counterexample} \caption{Beispiele für Wege $\gamma_1$ und $\gamma_2$} \end{figure} \begin{definition}% Sei $X$ ein topologischer Raum, $a, b \in X$, $\gamma_1, \gamma_2: [0,1] \rightarrow X$ Wege von $a$ nach $b$, d.~h. $\gamma_1(0) = \gamma_2(0) = a$, $\gamma_1(1) = \gamma_2(1) = b$ \begin{defenum} \item $\gamma_1$ und $\gamma_2$ heißen \textbf{homotop}\xindex{Weg!homotope}, wenn es eine stetige Abbildung $H : I \times I \rightarrow X$ mit \[H(t,0) = \gamma_1(t), H(t,1) = \gamma_2(t) \;\;\; \forall t \in [0,1] =: I \] und $H(0,s) = a$ und $H(1,s) = b$ für alle $s \in I$ gibt. Dann schreibt man: $\gamma_1 \sim \gamma_2$ $H$ heißt \textbf{Homotopie}\xindex{Homotopie} zwischen $\gamma_1$ und $\gamma_2$. \item $\gamma_s: I \rightarrow X, \gamma_s(t) = H(t,s)$ ist Weg in $X$ von $a$ nach $b$ für jedes $s \in I$. \end{defenum} \end{definition} \begin{bemerkung} \enquote{Homotop} ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge aller Wege in $X$ von $a$ nach $b$. \end{bemerkung} \begin{beweis}\leavevmode \begin{itemize} \item reflexiv: $H(t,s) = \gamma(t)$ für alle $(t,s) \in I \times I$ \item symmetrisch: $H'(t,s) = H(t,1-s)$ für alle $(t,s) \in I \times I$ \item transitiv: Seien $H'$ bzw. $H''$ Homotopien von $\gamma_1$ nach $\gamma_2$ bzw. von $\gamma_2$ nach $\gamma_3$. Dann sei $H(t,s) := \begin{cases} H'(t, 2s) &\text{falls } 0 \leq s \leq \frac{1}{2}\\ H''(t, 2s-1) &\text{falls } \frac{1}{2} \leq s \leq 1\end{cases}$ $\Rightarrow$ $H$ ist stetig und Homotopie von $\gamma_1$ nach $\gamma_3$. \end{itemize} $\qed$ \end{beweis} \begin{beispiel} \begin{bspenum} \item Sei $X = S^1$. $\gamma_1$ und $\gamma_2$ aus \cref{fig:circle-two-paths} nicht homotop. \item Sei $X = T^2$. $\gamma_1, \gamma_2$ und $\gamma_3$ aus \cref{fig:torus-three-paths} sind paarweise nicht homotop. \item Sei $X = \mdr^2$ und $a=b=(0,0)$. Je zwei Wege im $\mdr^2$ mit Anfangs- und Endpunkt $(0,0)$ sind homotop. \begin{figure}[htp] \centering \input{figures/topology-paths-in-r2.tex} \caption{Zwei Wege im $\mdr^2$ mit Anfangs- und Endpunkt $(0,0)$} \label{fig:paths-from-origin} \end{figure} Sei $\gamma_0: I \rightarrow \mdr^2$ der konstante Weg $\gamma_0(t) = (0,0) \; \forall t \in I$. Sei $\gamma(0) = \gamma(1) = (0,0)$. $H(t,s) := (1-s) \gamma(t)$ ist stetig, $H(t,0) = \gamma(t)\; \forall t \in I$ und $H(t,1) = (0,0) \; \forall t \in I$. \end{bspenum} \begin{figure}[ht] \centering \subfloat[Kreis mit zwei Wegen]{ \input{figures/topology-circle-two-paths.tex} \label{fig:circle-two-paths} }% \subfloat[Torus mit drei Wegen]{ \includegraphics[width=0.45\linewidth, keepaspectratio]{figures/torus-three-paths.pdf} \label{fig:torus-three-paths} }% \label{fig:homotop-paths} \caption{Beispiele für (nicht)-Homotopie von Wegen} \end{figure} \end{beispiel} %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% % Mitschrieb vom 05.12.2013 % %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% \begin{bemerkung}\label{kor:homotope-wege} Sei $X$ ein topologischer Raum, $\gamma: I \rightarrow X$ ein Weg und $\varphi: I \rightarrow I$ stetig mit $\varphi(0) = 0$, $\varphi(1) = 1$. Dann sind $\gamma$ und $\gamma \circ \varphi$ homotop. \end{bemerkung} \begin{beweis} Sei $H (t,s) = \gamma ((1-s) t + s \cdot \varphi(t))$. Dann ist $H$ stetig, $H(t,0) = \gamma(t),\;\;\; H(t,1) = \gamma ( \varphi(t)),\;\;\;$ $H(0,s) = \gamma(0)$ und $H(1,s) = \gamma(1-s+s) = \gamma(1)$\\ $\Rightarrow H$ ist Homotopie. $\qed$ \end{beweis} \begin{definition}\xindex{Weg!zusammengesetzter}% Seien $\gamma_1, \gamma_2$ Wege in $X$ mit $\gamma_1(1) = \gamma_2(0)$. Dann ist \[\gamma (t) = \begin{cases} \gamma_1(2t) &\text{falls } 0 \leq t < \frac{1}{2}\\ \gamma_2(2t-1) &\text{falls } \frac{1}{2} \leq t \leq 1 \end{cases}\] ein Weg in $X$. Er heißt \textbf{zusammengesetzter Weg} und man schreibt $\gamma = \gamma_1 * \gamma_2$. \end{definition} \begin{bemerkung}\label{kor:assoziativitaet-von-zusammensetzen-von-wegen} Das Zusammensetzen von Wegen ist nur bis auf Homotopie assoziativ, d.~h.: \begin{align*} \gamma_1 * (\gamma_2 * \gamma_3) &\neq (\gamma_1 * \gamma_2) * \gamma_3\\ \gamma_1 * (\gamma_2 * \gamma_3) &\sim (\gamma_1 * \gamma_2) * \gamma_3 \end{align*} mit $\gamma_1(1)=\gamma_2(0)$ und $\gamma_2(1) = \gamma_3(0)$. \end{bemerkung} \begin{beweis} \begin{figure}[ht] \centering \subfloat[$\gamma_1 * (\gamma_2 * \gamma_3)$]{ \input{figures/topology-path-not-associative-1.tex} \label{fig:assotiativitaet-von-wegen-a} } \subfloat[$(\gamma_1 * \gamma_2) * \gamma_3$]{ \input{figures/topology-path-not-associative-2.tex} \label{fig:assotiativitaet-von-wegen-b} }% \label{fig:assoziativitaet-von-wegen} \caption{Das Zusammensetzen von Wegen ist nicht assoziativ} \end{figure} Das Zusammensetzen von Wegen ist wegen \cref{kor:homotope-wege} bis auf Homotopie assoziativ. Verwende dazu \[\varphi(t) = \begin{cases} \frac{1}{2} t &\text{falls } 0 \leq t < \frac{1}{2}\\ t - \frac{1}{4} &\text{falls } \frac{1}{2} \leq t < \frac{3}{4}\\ 2t - 1 &\text{falls } \frac{3}{4} \leq t \leq 1 \end{cases}\] \end{beweis} \begin{bemerkung}\label{kor:bemerkung-10-6} Sei $X$ ein topologischer Raum, $a,b,c \in X$, $\gamma_1, \gamma_1'$ Wege von $a$ nach $b$ und $\gamma_2, \gamma_2'$ Wege von $b$ nach $c$. Sind $\gamma_1 \sim \gamma_1'$ und $\gamma_2 \sim \gamma_2'$, so ist $\gamma_1 * \gamma_2 \sim \gamma_1 ' * \gamma_2'$. \end{bemerkung} \begin{figure}[htp] \centering \input{figures/topology-homotop-paths-2.tex} \caption{Situation aus \cref{kor:bemerkung-10-6}}. \label{fig:situation-bemerkung-10-6} \end{figure} \begin{beweis} Sei $H_i$ eine Homotopie zwischen $\gamma_i$ und $\gamma_i'$, $i=1,2$. Dann ist \[H(t,s) := \begin{cases} H_1(2t, s) &\text{falls } 0 \leq t \leq \frac{1}{2}\;\;\;\forall s \in I\\ H_2(2t-1,s) &\text{falls } \frac{1}{2} \leq t \leq 1 \end{cases}\] eine Homotopie zwischen $\gamma_1 * \gamma_2$ und $\gamma_1' * \gamma_2 '$. \end{beweis} \section{Fundamentalgruppe} Für einen Weg $\gamma$ sei $[\gamma]$ seine \textbf{Homotopieklasse}\xindex{Homotopieklasse}. \begin{definition}\xindex{Fundamentalgruppe}% Sei $X$ ein topologischer Raum und $x \in X$. Sei außerdem \[\pi_1(X,x) := \Set{[\gamma] | \gamma \text{ ist Weg in } X \text{ mit } \gamma(0) = \gamma(1) = x}\] Durch $[\gamma_1] *_G [\gamma_2] : = [\gamma_1 * \gamma_2]$ wird $\pi_1(X,x)$ zu einer Gruppe. Diese Gruppe heißt \textbf{Fundamentalgruppe} von $X$ im Basispunkt $x$. \end{definition} \begin{bemerkung} Im $\mdr^2$ gibt es nur eine Homotopieklasse. \end{bemerkung} \begin{beweis}[Fundamentalgruppe ist eine Gruppe]\leavevmode \begin{enumerate}[label=\alph*)] \item Abgeschlossenheit folgt direkt aus der Definition von $*_G$ \item Assoziativität folgt aus \cref{kor:assoziativitaet-von-zusammensetzen-von-wegen} \item Neutrales Element $e = [\gamma_0], \gamma_0(t) = x \;\;\; \forall t \in I$. $e * [\gamma] = [\gamma] = [\gamma] * e$, da $\gamma_0 * \gamma \sim \gamma$ \item Inverses Element $[\gamma]^{-1} = [\overline{\gamma}] = [\gamma(1-t)]$, denn $\overline{\gamma} * \gamma \sim \gamma_0 \sim \gamma * \overline{\gamma}$ \end{enumerate} \end{beweis} \begin{beispiel} \begin{bspenum} \item $S^1 = \Set{z \in \mdc | {|z|} = 1} = \Set{(\cos \varphi, \sin \varphi) \in \mdr^2 | 0 \leq \varphi \leq 2 \pi}$ $\pi_1 (S^1, 1) = \Set{[\gamma^k] | k \in \mdz} \cong \mdz$. Dabei ist $\gamma(t) = e^{2 \pi \iu t} = \cos(2 \pi t) + \iu \sin(2 \pi t)$ und $\gamma^k := \underbrace{\gamma * \dots * \gamma}_{k \text{ mal}}$ $[\gamma^k] \mapsto k$ ist ein Isomorphismus. \item $\pi_1 (\mdr^2, 0) = \pi_1 (\mdr^2, x) = \Set{e}$ für jedes $x \in \mdr^2$ \item $\pi_1 (\mdr^n, x) = \Set{e}$ für jedes $x \in \mdr^n$ \item $G \subseteq \mdr^n$ heißt \textbf{sternförmig}\xindex{sternförmig} bzgl. $x \in G$, wenn für jedes $y \in G$ auch die Strecke $[x, y] \subseteq G$ ist. Für jedes sternförmige $G \subseteq \mdr^n$ ist $\pi_1(G,x) = \Set{e}$ \begin{figure}[htp] \centering \input{figures/star-shaped-domain.tex} \caption{Sternförmiges Gebiet}. \label{fig:sternfoermiges-gebiet} \end{figure} \item $\pi_1(S^2, x_0) = \Set{e}$, da im $\mdr^2$ alle Wege homotop zu $\Set{e}$ sind. Mithilfe der stereographischen Projektion kann von $S^2$ auf den $\mdr^2$ abgebildet werden. Dieses Argument funktioniert nicht mehr bei flächenfüllenden Wegen, d.~h. wenn $\gamma: I \rightarrow S^2$ surjektiv ist. \end{bspenum} \end{beispiel} \begin{bemerkung}\label{kor:gruppenisomorphismus-wege} Sei $X$ ein topologischer Raum, $a,b \in X$, $\delta: I \rightarrow X$ ein Weg von $a$ nach $b$. Dann ist die Abbildung \[\alpha: \pi_1 (X, a) \rightarrow \pi_1(X,b)\;\;\;[\gamma] \mapsto [\overline{\delta} * \gamma * \delta]\] ein Gruppenisomorphismus. \end{bemerkung} \begin{figure}[htp] \centering \input{figures/topology-paths.tex} \caption{Situation aus \cref{kor:gruppenisomorphismus-wege}}. \label{fig:situation-gruppenisomorphismus-wege} \end{figure} \begin{beweis} \begin{align*} \alpha([\gamma_1] * [\gamma_2]) &= [\overline{\delta} * (\gamma_1 * \gamma_2) * \delta]\\ &= [\overline{\delta} * \gamma_1 * \delta * \overline{\delta} * \gamma_2 * \delta] &= [\overline{\delta} * \gamma_1 * \delta] * [\overline{\delta} * \gamma_2 * \delta]\\ &= \alpha([\gamma_1]) * \alpha([\gamma_2]) \end{align*} \end{beweis} %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% % Tânias Mitschrieb vom 10.12.2013 % %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% \begin{definition}\xindex{einfach zusammenhängend}%11.4 Ein wegzusammenhängender topologischer Raum $X$ heißt \textbf{einfach zusammenhängend}, wenn $\pi_1(X,x) = \Set{e}$ für ein $x \in X$. \end{definition} Wenn $\pi_1(X,x) = \Set{e}$ für ein $x \in X$ gilt, dann wegen \cref{kor:gruppenisomorphismus-wege} sogar für alle $x \in X$. \begin{bemerkung}\label{korr:11.5} Es seien $X, Y$ topologische Räume, $f:X \rightarrow Y$ eine stetige Abbildung, $x \in X, y := f(x) \in Y$. \begin{bemenum} \item Dann ist die Abbildung $f_* : \pi_1(X,x) \rightarrow \pi_1(Y, y), [\gamma] \rightarrow [f \circ \gamma]$ ein Gruppenhomomorphismus. \item Ist $Z$ ein weiterer topologischer Raum und $g: Y \rightarrow Z$ eine stetige Abbildung $z:= g(y)$. Dann ist $(g \circ f)_* = g_* \circ f_*: \pi_1(X,x) \rightarrow \pi_1(Z,z)$ \end{bemenum} \end{bemerkung} \begin{beweis}\leavevmode \begin{enumerate}[label=\alph*)] \item $f_*$ ist wohldefiniert: Seien $\gamma_1, \gamma_2$ homotope Wege von $x$. z.Z.: $f \circ \gamma_1 \sim f \circ \gamma_2$: Nach Voraussetzung gibt es stetige Abbildungen $H:I\times I \rightarrow X$ mit \begin{align*} H(t,0) &= \gamma_1(t),\\ H(t,1) &= \gamma_2(t),\\ H(0,s) &= H(1, s) = x\text{.} \end{align*} Dann ist $f \circ H: I \times I \rightarrow Y$ stetig mit $(f \circ H)(t,0) = f(H(t,0)) = f(\gamma_1(t)) = (f \circ \gamma_1)(t)$ etc. $\Rightarrow f \circ \gamma_1 \sim f \circ \gamma_2$. $f_*([\gamma_1] * [\gamma_2]) = [f \circ (\gamma_1 * \gamma_2)] = [(f \circ \gamma_1)] * [(f \circ \gamma_2)] = f_*([\gamma_1]) * f_*([\gamma_2])$ \item $(g \circ f)_* ([\gamma]) = [(g \circ f) \circ \gamma] = [g \circ (f \circ \gamma)] = g_* ([f \circ \gamma]) = g_* (f_* ([\gamma])) = (g_* \circ f_*)([\gamma])$ \end{enumerate} \end{beweis} \begin{beispiel} \begin{bspenum} \item $f:S^1 \hookrightarrow \mdr^2$ ist injektiv, aber $f_*:\pi_1(S^1, 1) \cong \mdz \rightarrow \pi_1(\mdr^2, 1) = \Set{e}$ ist nicht injektiv \item $f: \mdr \rightarrow S^1, t \mapsto (\cos 2 \pi t, \sin 2 \pi t)$ ist surjektiv, aber $f_*: \pi_1(\mdr, 0) = \Set{e} \rightarrow \pi_1(S^2, 1) \cong \mdz$ ist nicht surjektiv \end{bspenum} \end{beispiel} \begin{bemerkung}%Folgerung 11.6 Sei $f:X \rightarrow Y$ ein Homöomorphismus zwischen topologischen Räumen $X, Y$. Dann gilt: \[f_*: \pi_1(X,x) \rightarrow \pi_1(Y, f(x))\] ist ein Isomorphismus für jedes $x \in X$. \end{bemerkung} \begin{beweis} Sei $g: Y \rightarrow X$ die Umkehrabbildung, d.~h. $g$ ist stetig und $f \circ g = \id_Y$, $g \circ f = \id_X$ $\Rightarrow f_* \circ g_* = (f \circ g)_* = (\id_Y)_* = \id_{\pi_1 (Y, f(X)}$ und $g_* \circ f_* = \id_{\pi_1(X,x)}$. \end{beweis} \begin{definition}\xindex{Abbildung!homotope}% Seien $X, Y$ topologische Räume, $x_0 \in X, y_0 \in Y, f, g: X \rightarrow Y$ stetig mit $f(x_0) = y_0 = g(x_0)$. $f$ und $g$ heißen \textbf{homotop} ($f \sim g$), wenn es eine stetige Abbildung $H: X \times I \rightarrow Y$ gibt mit $H(x,0) = f(x), H(x,1)=g(x)$ für alle $x \in X$ und $H(x_0, s) = y_0$ für alle $s \in I$. \end{definition} \begin{bemerkung} Sind $f$ und $g$ homotop, so ist $f_* = g_*: \pi_1 (X, x_0) \rightarrow \pi_1(Y, y_0)$. \end{bemerkung} \begin{beweis} Sei $\gamma$ ein geschlossener Weg in $X$ um $x_0$, d.~h. $[\gamma] \in \pi_1 (X, x_0)$. Z.~z.: $f \circ \gamma \sim g \circ \gamma$ Sei dazu $H_\gamma: I \times I \rightarrow Y, (t,s) \mapsto H(\gamma(t), s)$. Dann gilt: \begin{align*} H_\gamma(t,0) &= H(\gamma(t), 0) = (f \circ \gamma)(t) \;\forall t \in I\\ H_\gamma(1,s) &= H(\gamma(1), s) = H(x_0, s) = y_0\;\forall s \in I\\ H_\gamma(t,1) &= H(\gamma(t), 1) = g(\gamma(t))\;\forall t \in I \end{align*} \end{beweis} \begin{beispiel} $f:X \rightarrow Y, g: Y \rightarrow X$ mit $g \circ f \sim \id_X,$ $f \circ g \sim \id_Y$ $\Rightarrow f_*$ ist Isomorphismus. Konkret: $f: \mdr^2 \rightarrow \Set{0},$ $g:\Set{0} \rightarrow \mdr^2$ $\Rightarrow f \circ g = \id_{\Set{0}}$, $g \circ f: \mdr^2 \rightarrow \mdr^2$, $x \mapsto 0$ für alle $x$. $g \circ f \sim \id_{\mdr^2}$ mit Homotopie: $H: \mdr^2 \times I \rightarrow \mdr^2, H(x,s) = (1-s) x$ (stetig!) $\Rightarrow H(x,0) = x = \id_{\mdr^2} (x)$, $H(x, 1) = 0$, $H(0, s) = 0\;\forall s \in I$. \end{beispiel} \begin{satz}[Satz von Seifert und van Kampen \enquote{light}]\label{thm:seifert-van-kampen} Sei $X$ ein topologischer Raum, $U, V \subseteq X$ offen mit $U \cup V = X$ und $U \cap V$ wegzusammenhängend. Dann wird $\pi_1(X,x)$ für $x \in U \cap V$ erzeugt von geschlossenen Wegen um $x$, die ganz in $U$ oder ganz in $V$ verlaufen. \end{satz} \begin{beweis} Sei $\gamma: I \rightarrow X$ ein geschlossener Weg um $x$. Überdecke $I$ mit endlich vielen offenen Intervallen $I_1, I_2, \dots, I_n$, die ganz in $\gamma^{-1}(U)$ oder ganz in $\gamma^{-1}(V)$ liegen. \Obda sei $\gamma(I_1) \subseteq U, \gamma(I_2) \subseteq V$, etc. Wähle $t_i \in I_i \cap I_{i+1}$, also $\gamma(t_i) \in U \cap V$. Sei $\sigma_i$ Weg in $U \cap V$ von $x_0$ nach $\gamma(t_i) \Rightarrow \gamma$ ist homotop zu \[\underbrace{\gamma_1 * \overline{\sigma_1}}_{\text{in } U} * \underbrace{\sigma_1 * \gamma_2 * \overline{\sigma_2}}_{\text{in } V} * \dots * \sigma_{n-1} * \gamma_2\] \end{beweis} \begin{beispiel} \begin{bspenum} \item \begin{figure}[htp] \centering \input{figures/topologischer-raum-x.tex} \caption{Topologischer Raum $X$} \label{fig:top-raum-kreise} \end{figure} Sei $X$ wie in \cref{fig:top-raum-kreise}. $\pi_1(X,x)$ wird \enquote{frei} erzeugt von $a$ und $b$, weil $\pi_1(U,x) = \cong \mdz, \pi_1(V,x) = \cong \mdz$, insbesondere ist $a*b$ nicht homotop zu $b*a$. \item Torus: $\pi_1(T^2, X)$ wird erzeugt von $a$ und $b$. \begin{figure}[htp] \centering \input{figures/topology-4.tex} \caption{$a*b = b*a \Leftrightarrow a * b * \overline{a} * \overline{b} \sim e$} \label{fig:torous-a-b} \end{figure} \end{bspenum} \end{beispiel} %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% % Mitschrieb vom 12.12.2013 % %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% \section{Überlagerungen}\index{Ueberlagerung@""Uberlagerung|(} \begin{figure}[htp] \centering \includegraphics[width=4cm, keepaspectratio]{figures/topology-r-spiral-covering-s.pdf} \caption{$\mdr \rightarrow S^1$,\\$t \mapsto (\cos 2 \pi t, \sin 2 \pi t)$} \label{fig:ueberlappung-r1-spirale-s1} \end{figure} \begin{definition}\xindex{Ueberlagerung@""Uberlagerung}\label{def:12.1}%Definition 12.1 der Vorlesung Es seien $X, Y$ zusammenhängende topologische Räume und $p: Y \rightarrow X$ eine stetige Abbildung. $p$ heißt \textbf{Überlagerung}, wenn jedes $x \in X$ eine offene Umgebung $U = U(x) \subseteq X$ besitzt, sodass $p^{-1}(U)$ disjunkte Vereinigung von offenen Teilmengen $V_j \subseteq Y$ ist $(j \in I)$ und $p|_{V_j}: V_j \rightarrow U$ ein Homöomorphismus ist. \end{definition} \begin{beispiel} \begin{bspenum} \item siehe \cref{fig:ueberlappung-r1-spirale-s1} \item siehe \cref{fig:ueberlappung-kaestchen-torus} \item $\mdr^n \rightarrow T^n = \mdr^n / \mdz^n$ \item $S^n \rightarrow \praum^n(\mdr)$\xindex{Raum!projektiver} \item $S^1 \rightarrow S^1$, $z \mapsto z^2$, siehe \cref{fig:liftung-s1-s1} \end{bspenum} \begin{figure}[htp] \centering \resizebox{0.95\linewidth}{!}{\input{figures/ueberlappung-kaestchen-torus.tex}} \caption{$\mdr^2 \rightarrow T^2 = \mdr^2 / \mdz^2$} \label{fig:ueberlappung-kaestchen-torus} \end{figure} \begin{figure}[htp] \centering \input{figures/topology-ueberlagerung.tex} \caption{$t \mapsto (\cos 4 \pi t, \sin 4 \pi t)$} \label{fig:liftung-s1-s1} \end{figure} \end{beispiel} \begin{bemerkung} Überlagerungen sind surjektiv. \end{bemerkung} \begin{beweis} Sei $p: Y \rightarrow X$ eine Überlagerung und $x \in X$ beliebig. Dann existiert eine offene Umgebung $U(x) \subseteq X$ und offene Teilmengen $V_j \subseteq X$ mit $p^{-1}(U) = \Dcup V_j$ und $p|_{V_j}: V_j \rightarrow U$ ist Homöomorphismus. D.~h. es existiert ein $y \in V_j$, so dass $p|_{V_j}(y) = x$. Da $x \in X$ beliebig war und ein $y \in Y$ existiert, mit $p(y) = x$, ist $p$ surjektiv. $\qed$ \end{beweis} \begin{definition}\xindex{Abbildung!offene}% Seien $X, Y$ topologische Räume und $f:X \rightarrow Y$ eine Abbildung. $f$ heißt \textbf{offen} $:\gdw \forall V \subseteq X$ offen: $f(V)$ ist offen in $Y$. \end{definition} \begin{bemerkung}\label{bem:12.2} % Bemerkung 12.2 der Vorlesung Überlagerungen sind offene Abbildungen. \end{bemerkung} \begin{beweis} Sei $y \in V$ und $x \in p(V)$, sodass $x=p(y)$ gilt. Sei weiter $U = U_x$ eine offene Umgebung von $x$ wie in \cref{def:12.1} und $V_j$ die Komponente von $p^{-1}(U)$, die $y$ enthält. Dann ist $V \cap V_j$ offene Umgebung von $y$. $\Rightarrow p(V \cap V_j)$ ist offen in $p(V_j)$, also auch offen in $X$. Außerdem ist $p(y) = x \in p(V \cap V_j)$ und $p(V \cap V_j) \subseteq p(V)$. $\Rightarrow p(V)$ ist offen. \end{beweis} \todo[inline]{Die Definition von Diskret habe ich mir überlegt. Hatten wir das schon mal? Haben wir Häufungspunkt definiert?} \begin{definition}\xindex{diskret}% Sei $X$ ein topologischer Raum und $M \subseteq X$. $M$ heißt \textbf{diskret} in $X$, wenn $M$ in $X$ keinen Häufungspunkt hat. \end{definition} \begin{bemerkung} % Bemerkung 12.3 der Vorlesung Sei $p: Y \rightarrow X$ Überlagerung, $x \in X$. \begin{bemenum} \item $X$ hausdorffsch $\Rightarrow Y$ hausdorffsch \item $p^{-1}(x)$ ist diskret in $Y$ für jedes $x \in X$. \end{bemenum} \end{bemerkung} \begin{beweis}\leavevmode \begin{enumerate}[label=\alph*)] \item Seien $y_1, y_2 \in Y$. \underline{1. Fall}: $p(y_1) = p(y_2) = x$. Sei $U$ Umgebung von $x$ wie in \cref{def:12.1}, $V_{j_1}$ bzw. $V_{j_2}$ die Komponente von $p^{-1}(U)$, die $y_1$ bzw. $y_2$ enthält. Dann ist $V_{j_1} \neq V_{j_2}$, weil beide ein Element aus $p^{-1}(x)$ enthalten. $\Rightarrow V_{j_1} \cap V_{j_2} = \emptyset$ nach Voraussetzung. \underline{2. Fall}: $p(y_1) \neq p(y_2)$. Dann seien $U_1$ und $U_2$ disjunkte Umgebungen von $p(y_1)$ und $p(y_2)$. $\Rightarrow p^{-1}(U_1)$ und $p^{-1}(U_2)$ sind disjunkte Umgebungen von $y_1$ und $y_2$. \item Sei $y \in Y$ \underline{1. Fall}: $y \in p^{-1}(x)$ Finde $v_j$, sodass kein \dots \todo[inline]{...} \underline{2. Fall}: $y \notin p^{-1}(x)$ \todo[inline]{...} \end{enumerate} \end{beweis} \begin{bemerkung}\label{kor:12.4}%Bemerkung 12.4 der Vorlesung Sei $p: Y \rightarrow X$ Überlagerung, $x_1, x_2 \in X$. Dann ist $|p^{-1} (x_1)| = |p^{-1}(x_2)|$.\footnote{$|p^{-1} (x_1)| = \infty$ ist erlaubt!} \end{bemerkung} \begin{beweis} Sei $U$ Umgebung von $x_1$ wie in \cref{def:12.1}, $x \in U$. Dann enthält jedes $V_j, j \in I_X$ genau ein Element von $p^{-1}(x)$ $\Rightarrow |p^{-1} (x)|$ ist konstant auf $U$ $\xRightarrow{X \text{zhgd.}} |p^{-1}(x)|$ ist konstant auf $X$ \end{beweis} \begin{definition}\xindex{Liftung}% Sei $p: Y \rightarrow X$ Überlagerung, $Z$ ein weiterer topologischer Raum, $f:Z \rightarrow X$ stetig. Eine stetige Abbildung $\tilde{f}: Z \rightarrow Y$ heißt \textbf{Liftung} von $f$, wenn $p \circ \tilde{f} = f$ ist. \end{definition} \begin{figure}[htp] \centering \resizebox{0.95\linewidth}{!}{\input{figures/liftung-torus-r.tex}} \caption{Beim Liften eines Weges bleiben geschlossene Wege im allgemeinen nicht geschlossen} \label{fig:satz-seifert-van-kampen} \end{figure} \begin{bemerkung}[Eindeutigkeit der Liftung]\label{kor:12.5}%Bemerkung 12.5 aus Vorlesung Sei $Z$ zusammenhängend und $f_0, f_1: Z \rightarrow Y$ Liftungen von $f$. $\exists z_0 \in Z: f_0(z_0) = f_1(z_0) \Rightarrow f_0 = f_1$ \end{bemerkung} \begin{figure}[htp] \centering \input{figures/commutative-diagram-2.tex} \caption{Situation aus \cref{kor:12.5}} \label{fig:situation-kor-12.5} \end{figure} \begin{beweis} Sei $T = \Set{z \in Z | f_0(z) = f_1(z)}$. \underline{Z.~z.}: $T$ ist offen und $Z \setminus T$ ist auch offen. Sei $z \in T, x = f(z), U$ Umgebung von $x$ wie in \cref{def:12.1}, $V$ die Komponente von $p^{-1}(U)$, die $y:=f_0(z) = f_1(z)$ enthält. Sei $q:U \rightarrow V$ die Umkehrabbildung zu $p|_V$. Sei $W:= f^{-1}(U) \cap f_0^{-1}(V) \cap f_1^{-1}(V)$. $W$ ist offene Umgebung in $Z$ von $z$. \underline{Behauptung:} $W \subseteq T$ Denn für $w \in W$ ist $q(f(w)) = q((p \circ f_0))(w) = ((q \circ p) \circ f_0) (w) = f_0(w) = q(f(w)) = f_1(w)$ $\Rightarrow T$ ist offen. Analog: $Z \setminus T$ ist offen. \end{beweis} \begin{satz}\label{thm:ueberlagerung-weg-satz-12.6} Sei $p: Y \rightarrow X$ Überlagerung, $\gamma: I \rightarrow X$ ein Weg, $y \in Y$ mit $p(y) = \gamma(0) =: x$. Dann gibt es genau einen Weg $\tilde{\gamma}: I \rightarrow Y$ mit $\tilde{\gamma}(0)=y$ und $p \circ \tilde{\gamma} = \gamma$. \end{satz} %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% % Sebastians Mitschrieb vom 17.12.2013 % %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% $p:Y \rightarrow X$ Überlagerung, $X,Y$ wegzusammenhängend. $p$ stetig und surjektiv, zu $x \in X \exists$ Umgebung $U$, so dass $p^{-1}(U) = \bigcup V_j$ $p|V_j: V_j \rightarrow U$ Homöomorphismus. \begin{bemerkung}%Bemerkung 12.6 der Vorlesung Wege in $X$ lassen sich zu Wegen in $Y$ liften. Zu jedem $y \in p^{-1}(\gamma(0))$ gibt es genau einen Lift von $\gamma$. \end{bemerkung} \begin{proposition}\label{proposition:12.7}%Proposition 12.7 der Vorlesung Seien $p: Y \rightarrow X$ eine Überlagerung, $a,b \in X$, $\gamma_0, \gamma_1: I \rightarrow X$ homotope Wege von $a$ nach $b$, $\tilde{a} \in p^{-1}(a), \tilde{\gamma_0}, \tilde{\gamma_1}$ Liftungen von $\gamma_0$ bzw. $\gamma_1$ mit $\tilde{\gamma_i}(0) = \tilde{a}$. Dann ist $\tilde{\gamma_0}(1) = \tilde{\gamma_1}(1)$ und $\tilde{\gamma_0} \sim \tilde{\gamma_1}$. \end{proposition} \begin{beweis} Sei $H: I \times I \rightarrow X$ Homotopie zwischen $\gamma_1$ und $\gamma_2$. Für $s \in [0,1]$ sei $\gamma_s: I \rightarrow X$, $t \mapsto H(t,s)$. Sei $\tilde{\gamma_s}$ Lift von $\gamma_s$ mit $\tilde{\gamma_s}(0) = \tilde{a}$ Sei $\tilde{H}: I \times I \rightarrow Y,\;\;\; \tilde{H}(t,s) := (\tilde{\gamma_s}(t), s)$ Dann gilt: \begin{enumerate}[label=(\roman*)] \item $\tilde{H}$ ist stetig (Beweis wie für \cref{kor:12.5}) \item $\tilde{H}(t,0) = \tilde{\gamma_0}(t) = \tilde{H}(t,1) = \tilde{\gamma_1}(t)$ \item $\tilde{H}(0,s) = \tilde{\gamma_s}(0) = \tilde{a}$ \item $\tilde{H}(1,s) \in p^{-1}(b)$ \end{enumerate} Da $p^{-1}(b)$ diskrete Teilmenge von $Y$ ist\\ $\Rightarrow \tilde{b_s} = \tilde{H}(1,s) = \tilde{H}(1,0) \;\forall s \in I$\\ $\Rightarrow \tilde{b_0} = \tilde{b_1}$ und $\tilde{H}$ ist Homotopie zwischen $\tilde{\gamma_0}$ und $\tilde{\gamma_1}$. $\qed$ \end{beweis} \begin{folgerung}%In Vorlesung: "Folgerung 12.8" Sei $p: Y \rightarrow X$ eine Überlagerung, $x_0 \in X, y_0 \in p^{-1}(x_0)$ \begin{bemenum} \item \label{folg:12.8a} $p_1: \pi_1(Y, y_0) \rightarrow \pi_1(X, x_0)$ ist injektiv\label{kor:12.8a} \item \label{folg:12.8b} $[\pi_1(X, x_0): p_* (\pi_1(Y, y_0))] = \deg(p)$\label{kor:12.8b} \end{bemenum} \end{folgerung} \begin{beweis}\leavevmode \begin{enumerate}[label=\alph*)] \item Sei $\tilde{\gamma}$ ein Weg in $Y$ um $y_0$ und $p_* ([\tilde{\gamma}]) = e$, also $p \circ \tilde{\gamma} \sim \gamma_{x_0}$ Nach \cref{proposition:12.7} ist dann $\tilde{\gamma}$ homotop zum Lift des konstanten Wegs $\gamma_{x_0}$ mit Anfangspunkt $y_0$, also zu $\gamma_{y_0} \Rightarrow [\tilde{\gamma}] = e$ \item Sei $d = \deg{p}, p^{-1}(x_0) = \Set{y_0, y_1, \dots, y_{d-1}}$. Für einen geschlossenen Weg $\gamma$ in $X$ um $x_0$ sei $\tilde{\gamma}$ die Liftung mit $\tilde{\gamma}(0) = y_0$. $\tilde{\gamma}(1) \in \Set{y_0, \dots, y_{d-1}}$ hängt nur von $[\gamma] \in \pi_1(X,x_0)$ ab. Für geschlossene Wege $\gamma_0, \gamma_1$ um $x$ gilt: \begin{align*} \tilde{\gamma_0}(1) &= \tilde{\gamma_1}(1)\\ \Leftrightarrow [\tilde{\gamma_0} * \tilde{\gamma_1}^{-1}] &\in \pi_1(Y, y_0)\\ \Leftrightarrow [\gamma_0 * \gamma_1^{-1}] &\in p_* (\pi_1(Y,y_0))\\ \Leftrightarrow [\gamma_0] \text{ und } [\gamma_1] &\text{liegen in der selben Nebenklasse bzgl.} p_*(\pi_1(Y, y_0)) \end{align*} Zu $i \in \Set{0, \dots, d-1}$ gibt es Weg $\delta_i$ in $Y$ mit $\delta_i(0) = y_0$ und $\delta_i(1) = y_i$\\ $\Rightarrow p \cup \delta_i$ ist geschlossener Weg in $X$ um $x_0$.\\ $\Rightarrow$ Jedes $y_i$ mit $i=0, \dots, d-1$ ist $\tilde{\gamma}(1)$ für ein $[\gamma] \in \pi_1(X,x_0)$. \end{enumerate} \end{beweis} \begin{bemerkung}%In Vorlesung: "Folgerung 12.9" Sei $p: Y \rightarrow X$ Überlagerung und $X$ einfach zusammenhängend. Dann ist $p$ ein Homöomorphismus. \end{bemerkung} \begin{beweis} Wegen \cref{folg:12.8a} ist auch $Y$ einfach zusammenhängend und wegen \cref{folg:12.8b} ist $\deg(p)=1$, $p$ ist also bijektiv. Nach \cref{bem:12.2} ist $p$ offen $\Rightarrow p^{-1}$ ist stetig. $\Rightarrow p$ ist Homöomorphismus. $\qed$ \end{beweis} \begin{definition}\xindex{Ueberlagerung@""Uberlagerung!universelle}%In Vorlesung: "Definition 12.10" Eine Überlagerung $p: \tilde{X} \rightarrow X$ heißt \textbf{universell}, wenn $\tilde{X}$ einfach zusammenhängend ist. \end{definition} \begin{beispiel} $\mdr \rightarrow S^1, \;\;\; t \mapsto (\cos 2 \pi t, \sin 2 \pi t)$ $\mdr^2 \rightarrow T^2 = \mdr^2 / \mdz^2$ $S^n \rightarrow \praum^n(\mdr)$ für $n \geq 2$ \end{beispiel} \begin{satz}\label{thm:12.11}%In Vorlesung: Satz 12.11 Sei $p: \tilde{X} \rightarrow X$ eine universelle Überlagerung, $q:Y \rightarrow X$ weitere Überlagerung. Sei $x_0 \in X, \tilde{x_0} \in \tilde{X}, y_0 \in Y$ mit $q(y_1) = x_0, p(\tilde{x_0}) = x_0$. Dann gibt es genau eine Überlagerung $\tilde{p}: \tilde{X} \rightarrow Y$ mit $\tilde{p}(\tilde{x_0}) = y_0$. \end{satz} \begin{beweis} Sei $z \in \tilde{X}, y_z: I \rightarrow \tilde{X}$ ein Weg von $\tilde{x_0}$ nach $z$. Sei $\delta_Z$ die eindeutige Liftung von $p \circ \gamma_z$ nach $y$ mit $\delta_2(0) = y_0$. Setze $\tilde{p}(z) = \delta_Z(1)$. Da $\tilde{X}$ einfach zusammenhängend ist, hängt $\tilde{p}(z)$ nicht vom gewählten $y_z$ ab. Offensichtlich ist $q(\tilde{p}(z)) = p(z)$. $\tilde{p}$ ist stetig (in $z \in \tilde{X}$). Sei $W \subseteq Y$ offene Umgebung von $\tilde{p}(z)$. $\xRightarrow{q \text{ offen}} q(W)$ ist offene Umgebung von $p(z) \cdot d(\tilde{p}(z))$. Sei $U \subseteq q(W)$ offen wie in \cref{def:12.1} und $V \subseteq q^{-1}(U)$ die Komponente, die $\tilde{p}(z)$ enthält. \Obda sei $V \subseteq W$. Sei $Z := p^{-1}(U)$. Für $u \in Z$ sei $\delta$ ein Weg in $Z$ von $z$ nach $u$. $\Rightarrow \gamma_Z * \delta$ ist Weg von $x_0$ nach $u$\\ $\Rightarrow \tilde{p}(u) \in V$\\ $\Rightarrow Z \subseteq \tilde{p^{-1}}(W)$\\ $\Rightarrow \tilde{p}$ ist stetig \end{beweis} %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% % Mitschrieb vom 19.12.2013 % %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% \begin{folgerung}%Vorlesung: Folgerung 12.12 Sind $p:\tilde{X} \rightarrow X$ und $q: \tilde{Y} \rightarrow X$ universelle Überlagerungen, so sind $\tilde{X}$ und $\tilde{Y}$ homöomorph. \end{folgerung} \begin{beweis} Seien $x_0 \in X, \tilde{x_0} \in \tilde{X}$ mit $p(\tilde{x_0}) = x_0$ und $\tilde{y_0} \in q^{-1}(x_0) \subseteq \tilde{Y}$. Nach \cref{thm:12.11} gibt es genau eine Überlagerung \[f:\tilde{X} \rightarrow \tilde{Y} \text{ mit } f(x_0) = \tilde{Y_0} \text{ und } q \circ f = p\] und genau eine Überlagerung \[g: \tilde{Y} \rightarrow \tilde{X} \text{ mit } g(\tilde{y_0}) = \tilde{x_0} \text{ und } p \circ g = q\] Damit gilt: $p \circ q \circ f = q \circ f = p$, $q \circ f \circ g = p \circ g = q$. Also ist $g \circ f: \tilde{X} \rightarrow \tilde{X}$ Lift von $p:\tilde{X} \rightarrow X$ mit $(g \circ f) (\tilde{x_0}) = \tilde{x_0}$. Da auch $\id_{\tilde{x}}$ diese Eigenschaft hat, folgt mit \cref{kor:12.4}: $g \circ f = \id_{\tilde{X}}$.\\ Analog gilt $f \circ g = \id_{\tilde{Y}}$. $\qed$ \end{beweis} Die Frage, wann es eine universelle Überlagerung gibt, beantwortet der folgende Satz: \begin{satz}%In Vorlesung: Satz 12.13 Es sei $X$ ein wegzusammenhängender topologischer Raum in dem jeder Punkt eine Umgebungsbasis aus einfach zusammenhängenden Mengen hat. Dann gibt es eine universelle Überlagerung. \end{satz} \begin{beweis} Sei $x_0 \in X$ und $\tilde{X} := \Set{(x, [\gamma]) | x \in X, \gamma \text{ Weg von } x_o \text{ nach } x}$ und $p: \tilde{X} \rightarrow X, (x, [\gamma]) \mapsto x$. Die Topologie auf $\tilde{X}$ ist folgende: Definiere eine Umgebungsbasis von $(x, [\gamma])$ wie folgt: Es sei $U$ eine einfach zusammenhängende Umgebung von $x$ und \[\tilde{U} = \tilde{U}(x, [\gamma]) := \Set{(y, [\gamma * \alpha]) | y \in U, \alpha \text{ Weg in } U \text{ von } x \text{ nach } y} \] $p$ ist Überlagerung: $p|_{\tilde{U}} : \tilde{U} \rightarrow U$ bijektiv. $p$ ist stetig und damit $p|_{\tilde{U}}$ ein Homöomorphismus. Sind $\gamma_1, \gamma_2$ Wege von $x_0$ nach $x$ und $\gamma_1 \sim \gamma_2$, so ist $\tilde{U}(x, [\gamma_1]) \cap \tilde{U}(x, [\gamma_2]) = \emptyset$, denn: Ist $\gamma_1 * \alpha \sim \gamma_2 * \alpha$, so ist auch $\gamma_1 \sim \gamma_2$. Also ist $p$ eine Überlagerung. $\tilde{X}$ ist einfach zusammenhängend: Es sei $\tilde{x_0} := (x_0, e)$ und $\tilde{\gamma}: I \rightarrow \tilde{X}$ ein geschlossener Weg um $\tilde{x_0}$. Sei $\gamma := p(\tilde{\gamma})$. \underline{Annahme}: $[\tilde{\gamma}] \neq e$ Mit \cref{kor:12.8a} folgt dann: $[\gamma] \neq e$. Dann ist der Lift von $\gamma$ nach $\tilde{x}$ mit Anfangspunkt $\tilde{x_0}$ ein Weg von $\tilde{x_0}$ nach $(x_0, [\gamma])$. Widerspruch. \end{beweis} \begin{definition}\xindex{Decktransformation}%In Vorlesung: Def+Bem 12.14 Es sei $p:Y \rightarrow X$ eine Überlagerung und $f:Y \rightarrow Y$ ein Homöomorphismus. $f$ heißt \textbf{Decktransformation} von $p :\gdw p \circ f = p$. Ist $p$ eine Decktransformation und $|\Deck(Y/X)| = \deg{p}$, so heißt $p$ \textbf{regulär}.\xindex{Decktransformation!reguläre} \end{definition} \begin{bemerkung}%In Vorlesung:12.14 \begin{bemenum} \item Die Decktransformationen von $p$ bilden eine Gruppe, die sog. \textbf{Decktransformationsgruppe}\xindex{Decktransformationsgruppe} $\Deck(p) = \Deck(Y/X) = \Deck(Y \rightarrow X)$ \item Ist $f \in \Deck(Y/X)$ und $f \neq \id$, dann hat $f$ keinen Fixpunkt. \item $|\Deck(Y/X)| \leq \deg{p}$\label{kor:12.14c} \item Ist $p$ eine reguläre Decktransformation, dann gilt: $\forall x \in X: \Deck(Y/X)$ operiert transitiv auf der Menge der Urbilder $p^{-1}(x)$. \end{bemenum} \end{bemerkung} \begin{beweis}\leavevmode \begin{enumerate}[label=\alph*)] \item Es gilt: \begin{itemize} \item $\id_Y \in \Deck{Y/X}$, \item $f,g \in \Deck{Y/X} \Rightarrow p \circ (f \circ g) = (p \circ f) \circ g = p \circ g \Rightarrow f \circ g \in \Deck{Y/X}$ \item $f \in \Deck{Y/X} \Rightarrow p \circ f =$ $p \Rightarrow p \circ f^{-1} =$ $(p \circ f) \circ f^{-1} =$ $p \circ (f \circ f^{-1}) = p \Rightarrow f^{-1} \in \Deck{Y/X}$ \end{itemize} \item Die Menge \[\Fix(f) = \Set{y \in Y | f(y) = y}\] ist abgeschlossen als Urbild der Diagonale $\Delta \subseteq Y \times Y$ unter der stetigen Abbildung $y \mapsto (f(y),y)$. Außerdem ist $\Fix(f)$ offen, denn ist $y \in \Fix(f)$, so sei $U$ eine Umgebung von $p(y) \in X$ wie in \cref{def:12.1} und $U \subseteq p^{-1}(U)$ die Komponente, die $y$ enthält; also $p:V \rightarrow U$ ein Homöomorphismus. Dann ist $W := f^{-1}(V) \cap V$ offene Umgebung von $y$. Für $z \in W$ ist $f(z) \in V$ und $p(f(z)) = p(z)$. Da $p$ injektiv auf $V$ ist, folgt $f(z) = z$, d.~h. $\Fix(f) \neq \emptyset$. Da $Y$ zusammenhängend ist, folgt aus $\Fix(\tilde{f}) \neq \emptyset$ schon $\Fix(f) = Y$, also $f = \id_Y$. \item Es sei $x_0 \in X$, $\deg(p) = d$ und $p^{-1}(x_0) = \Set{y_0, \dots, y_{d-1}}$. Für $f \in \Deck(Y/X)$ ist $f(y_0)= \Set{y_0, \dots, y_{d-1}}$. Zu $i \in \Set{0, \dots, d-1}$ gibt es höchstens ein $f \in \Deck(Y/X)$ mit $f(y_0) = y_1$, denn ist $f(y_0) = g(y_0)$, so ist \todo{Was steht hier?}{$(g^{-1} - f) y_0 = y_0$}, also nach \cref{kor:12.14c} $g^{-1} \circ f = \id_Y$. \end{enumerate} \end{beweis} \begin{beispiel} \begin{bspenum} \item $p: \mdr \rightarrow S^1: \Deck(\mdr / S^1) = \Set{t \mapsto t + n | n \in \mdz} \cong \mdz$ \item $p: \mdr^2 \rightarrow T^2: \Deck(\mdr^2 / T^2) \cong \mdz \times \mdz = \mdz^2$ \item $p: S^n \rightarrow \praum^n(\mdr): \Deck(g^n / \praum^n(\mdr)) = \Set{x \mapsto \pm x} \cong \mdz / 2 \mdz$ \end{bspenum} \end{beispiel} Nun werden wir eine Verbindung zwischen der Decktransformationsgruppe und der Fundamentalgruppe herstellen: \begin{satz}\label{thm:12.15}%In Vorlesung: Satz 12.15 Ist $p: \tilde{X} \rightarrow X$ eine universelle Überlagerung, so gilt: \[\Deck(\tilde{X}/X) \cong \pi_1(X, x_0)\;\;\;\forall x_0 \in X\] \end{satz} \begin{beweis} Wähle $\tilde{x_0} \in p^{-1}(x_0)$. Es sei $\rho: \Deck(\tilde{x}/x) \rightarrow \pi_1(X, x_0)$ die Abbildung, die $f$ auf $[p(\gamma_f)]$ abbildet, wobei $\gamma_f$ ein Weg von $\tilde{x_0}$ nach $f(\tilde{x_0})$ sei. Da $\tilde{x}$ einfach zusammenhängend ist, ist $\gamma_f$ bis auf Homotopie eindeutig bestimmt und damit auch $\rho$ wohldefiniert. \begin{itemize} \item \underline{$\rho$ ist Gruppenhomomorphismus}: Seien $f, g \in \Deck(\tilde{X}/ X) \Rightarrow \gamma_{g \circ f} = \gamma_g * g(\gamma_f)$ $\Rightarrow p(\gamma_{g \circ f}) = p(\gamma_g) * \underbrace{(p \circ g)}_{=p} (\gamma_f) = \rho(g) \neq \rho(f)$ \item \underline{$\rho$ ist injektiv}: $\rho(f) = e \Rightarrow p (\gamma_f) \sim \gamma_{x_0}$ $\xRightarrow{\cref{thm:ueberlagerung-weg-satz-12.6}} \gamma_f \sim \gamma_{\tilde{x_0}}$ $\Rightarrow f(x_0) = \tilde{x_0} \xRightarrow{\crefabbr{kor:12.14c}} f = \id_{\tilde{x}}$. \item \underline{$\rho$ ist surjektiv}: Sei $[\gamma] \in \pi_1(X, x_0)$, $\tilde{\gamma}$ Lift von $\gamma$ nach $\tilde{x}$ mit Anfangspunkt $\tilde{x_0}$. Der Endpunkt von $\tilde{\gamma}$ sei $\tilde{x_1}$. \underline{$p$ ist reguläre Überlagerung}: Seien $\tilde{x_0}, \tilde{x_1} \in \tilde{X}$ mit $p(\tilde{x_0}) = p(\tilde{x_1})$. Nach \cref{thm:12.11} gibt es genau eine Überlagerung $\tilde{p}: \tilde{X} \rightarrow X$ mit $p=p \circ \tilde{p}$ und $\tilde{p}(\tilde{x_0}) = \tilde{x_1}$. Somit ist $\tilde{p}$ eine Decktransformation und damit $p$ eine reguläre Überlagerung. Da $p$ reguläre Überlagerung ist, gibt es ein $f \in \Deck(\tilde{X}/X)$ mit $f(\tilde{x_0}) = \tilde{x_1}$. Aus der Definition von $\rho$ folgt: $\rho(f) = p (\gamma_f) = \gamma$ \end{itemize} $\qed$ \end{beweis} \begin{beispiel}[Bestimmung von $\pi_1(S^1)$] $p: \mdr \rightarrow S^1$, $t \mapsto (\cos 2 \pi t, \sin 2 \pi t)$ ist universelle Überlagerung, da $\mdr$ zusammenhängend ist. Für $n \in \mdz$ sei $f_n: \mdr \rightarrow \mdr, t \mapsto t + n$ die Translation um $n$. Es gilt: $(p \circ f_n)(t) = p(f_n(t)) = p(t) \;\;\; \forall t \in \mdr$, d.~h. $f_n$ ist Decktransformation. Ist umgekehrt $g$ irgendeine Decktransformation, so gilt insbesondere für $t=0$: \[(\cos(2 \pi g(0)), \sin(2 \pi g(0))) = (p \circ g)(0) = p(0) = (1,0)\] Es existiert $n \in \mdz$ mit $g(0) = n$. Da auch $f_n(0) = 0 + n = n$ gilt, folgt mit \cref{kor:12.14c} $g = f_n$. Damit folgt: \[\Deck(\mdr/S^1) = \Set{f_n | n \in \mdz} \cong \mdz\] Nach \cref{thm:12.15} also $\pi_1(S^1) \cong \Deck(\mdr/S^1) \cong \mdz$ \end{beispiel} \index{Ueberlagerung@""Uberlagerung|)} %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% % Lea's Mitschrieb vom 07.01.2014 % %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% \section{Gruppenoperationen}\index{Gruppenoperation|(}\index{Aktion|see{Gruppenoperation}}\index{Gruppenaktion|see{Gruppenoperation}} \begin{definition}\xindex{Gruppenoperation}% in Vorlesung: Definition 13.1 Sei $(G, \cdot)$ eine Gruppe und $X$ eine Menge. Eine \textbf{Gruppenoperation} von $G$ auf $X$ ist eine Abbildung $\circ$: \[ \circ: G \times X \rightarrow X,\;\;\; (g,x) \mapsto g \cdot x,\] für die gilt: \begin{defenum} \item $1_G \circ x = x \;\;\; \forall x \in X$\label{def:gruppenoperation.1} \item $(g \cdot h) \circ x = g \circ (h \circ x) \;\;\; \forall g,h \in G \forall x \in X$\label{def:gruppenoperation.2} \end{defenum} \end{definition} \begin{beispiel} \begin{enumerate}[label=\arabic*),ref=\thebeispiel.\arabic*] \item $G = (\mdz, +), X = \mdr, nx = x + n$\label{bsp:gruppenoperation1} \item $G$ operiert auf $X = G$ durch $g \circ h := g \cdot h$ \item $G$ operiert auf $X = G$ durch $g \circ h := g \cdot h \cdot g^{-1}$, denn \begin{enumerate}[label=\roman*)] \item $1_G \circ h = 1_G \cdot h \cdot 1_G^{-1} = h$ \item $\!\begin{aligned}[t] (g_1 \cdot g_2) \circ h &= (g_1 \cdot g_2) \cdot h \cdot (g \cdot g_2)^{-1}\\ &= g_1 \cdot (g_2 \cdot h \cdot g_2^{-1}) \cdot g_1^{-1}\\ &= g_1 \circ (g_2 \circ h) \end{aligned}$ \end{enumerate} \end{enumerate} \end{beispiel} \begin{definition} Sei $G$ eine Gruppe, $X$ ein topologischer Raum und $\circ: G \times X \rightarrow X$ eine Gruppenoperation. \begin{defenum} \item $G$ operiert durch Homomorphismen, wenn für jedes $g \in G$ die Abbildung \[m_g: X \rightarrow X, x \mapsto g \cdot X\] ein Homöomorphismus ist. \item Ist $G$ eine topologische Gruppe, so heißt die Gruppenoperation $\circ$ \textbf{stetig}\xindex{Gruppenoperation!stetige}, wenn $\circ: G \times X \rightarrow X$ stetig ist. \end{defenum} \end{definition} \begin{bemerkung}%In Vorlesung: Bemerkung 13.2 Jede stetige Gruppenoperation ist eine Gruppenoperation durch Homöomorphismen. \end{bemerkung} \begin{beweis} Nach Voraussetzung ist $\circ |_{\Set{g} \times X} : X \rightarrow X, x \mapsto g \circ x$ stetig. Die Umkehrabbildung zu $m_g$ ist $m_{g^{-1}}$: \begin{align*} (m_{g^{-1}} \circ m_g)(x) &= m_{g^{-1}} (m_g (x))\\ &= m_{g^{-1}} (g \circ x)\\ &= g^{-1} \circ (g \circ x)\\ &\overset{\mathclap{\crefabbr{def:gruppenoperation.2}}}{=} (g^{-1} \cdot g) \circ x\\ &= 1_G \circ x\\ &\overset{\mathclap{\crefabbr{def:gruppenoperation.1}}}{=} x \end{align*} \end{beweis} \begin{beispiel} In Beispiel~\ref{bsp:gruppenoperation1} operiert $\mdz$ durch Homöomorphismen. \end{beispiel} \begin{bemerkung}\label{kor:13.3}%In Vorlesung: Bemerkung 13.3 Sei $G$ eine Gruppe und $X$ eine Menge. \begin{bemenum} \item Die Gruppenoperation von $G$ auf $X$ entsprechen bijektiv den Gruppenhomomorphismen $\varrho: G \rightarrow \Perm(X) = \Sym(X) = \Set{f: X \rightarrow X | f \text{ ist bijektiv}}$ \item Ist $X$ ein topologischer Raum, so entsprechen dabei die Gruppenoperationen durch Homöomorphismus den Gruppenhomomorphismen $G \rightarrow \Homoo(X)$ \end{bemenum} \end{bemerkung} \begin{beweis} \item Sei $\circ: G \times X \rightarrow X$ eine Gruppenoperation von $G$ auf $X$. Dann sei $\varrho: G \rightarrow \Perm(X)$ definiert durch $\varrho(g)(X) = g \cdot x \;\;\; \forall g \in G, x \in X$, also $\varrho(g) = m_g$. $\varrho$ ist Homomorphismus: $\varrho(g_1 \cdot g_2) = m_{g_1 \cdot g_2} = m_{g_1} \circ m_{g_2} = \varrho(g_1) \circ \varrho(g_2)$, denn für $x \in X: \varrho(g_1 \cdot g_2) (x) = (g_1 \cdot g_2) \circ x = g_1 \circ (g_2 \circ x) = \varrho(g_1) (\varrho(g_2)(x)) = (\varrho(g_1) \circ \varrho (g_2)) (x)$ Umgekehrt: Sei $\varrho: G \rightarrow \Perm(X)$ Gruppenhomomorphismus. Definiere $\circ: G \times X \rightarrow X$ durch $g \circ x = \varrho (g)(x)$. z.~z. \cref{def:gruppenoperation.2}: \begin{align*} g_1 \circ (g_2 \circ x) &= \varrho (g_1) (g_2 \circ x)\\ &= \varrho(g_1) (\varrho(g_2)(x))\\ &= (\varrho(g_1) \circ \varrho(g_2))(x)\\ &\overset{\varrho \text {ist Hom.}}{=} \varrho(g_1 \cdot g_2) (x)\\ &= (g_1 \cdot g_2) \circ x \end{align*} z.~z. \cref{def:gruppenoperation.1}: $1_G \cdot x = \varrho(1_G)(x) = \id_X(x) = x$, weil $\varrho$ Homomorphismus ist. \end{beweis} \begin{beispiel}\label{bsp:13.4}%In Vorlesung: Beispiel 13.4 Sei $X$ ein wegzusammenhängender topologischer Raum, $p: \tilde{X} \rightarrow X$ eine universelle Überlagerung, $x_0 \in X$, $\tilde{x_0} \in \tilde{X}$ mit $p(\tilde{x_0}) = x_0$. Dann operiert $\pi_1(X, x_0)$ auf $\tilde{X}$ durch Homöomorphismen wie folgt: Für $[\gamma] \in \pi_1(X, x_0)$ und $\tilde{x} \in \tilde{X}$ sei $[\gamma] \circ \tilde{x} = \tilde{\gamma * \varrho} (1)$ wobei $\tilde{\gamma}$ ein Weg von $\tilde{x_0}$ nach $\tilde{x}$ in $\tilde{X}$ sei, $\varrho := p(\tilde{\delta}) = p \circ \delta$. Also: $\delta$ ist ein Weg in $X$ von $x_0$ nach $x=p(\tilde{x})$ und $\rtilde{\gamma * \delta}$ die Liftung von $\gamma * \delta$ mit Anfangspunkt $\tilde{x_0}$. $[\gamma] \cdot \tilde{x}$ hängt nicht von der Wahl von $\tilde{\gamma}$ ab; ist $\tilde{\gamma}'$ ein anderer Weg von $\tilde{x_0}$ nach $\tilde{x}$, so sind $\tilde{\delta}$ und $\tilde{\delta}'$ homotop, also auch $\rtilde{\gamma * \delta}$ und $\rtilde{\gamma * \delta'}$ homotop. Gruppenoperation, denn: \begin{enumerate}[label=\roman*)] \item $[e] \circ \tilde{x} = \rtilde{e * \delta} = \tilde{x}$ \item $\rtilde{\gamma_1 * \gamma_2 * \delta}(1) = [\gamma_1 * \gamma_2] \circ \tilde{x} = ([\gamma_1] * [\gamma_2]) \circ \tilde{x}$\\ $\gamma_1 * \gamma_2 * \delta(1) = [\gamma_1] \circ (\tilde{\gamma_2 * \delta})(1) = [\gamma_1] \circ ([\gamma_2] \circ \tilde{x})$ \end{enumerate} \end{beispiel} \textbf{Erinnerung}:% In Vorlesung: Erinnerung 13.5 Die Konstruktion aus \cref{kor:13.3} induziert zu der Gruppenoperation $\pi_1(X, x_0)$ aus \cref{bsp:13.4} einen Gruppenhomomorphismus $\varrho: \pi_1(X, x_0) \rightarrow \Homoo(X)$. Nach \cref{thm:12.15} ist \begin{align*}\varrho(\pi_1(X, x_0)) &= \Deck(\tilde{X} / X)\\ &= \Set{f: \tilde{X} \rightarrow \tilde{X} \text{ Homöomorphismus} | p \circ f = p} \end{align*} \begin{beispiel}% In Vorlesung: Beispiel 13.6 Sei $X := S^2 \subseteq \mdr^3$ und $\tau$ die Drehung um die $z$-Achse um $180^\circ$. $g = \langle \tau \rangle = \Set{\id, \tau}$ operiert auf $S^2$ durch Homöomorphismen. Frage: Was ist $S^2 / G$? Ist $S^2 / G$ eine Mannigfaltigkeit? \end{beispiel} \index{Gruppenoperation|)} % Die Übungsaufgaben sollen ganz am Ende des Kapitels sein. \input{Kapitel3-UB}