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In diesem Kapitel seien $X,Y,Z$ Mengen ($\ne\emptyset$) und
$f: X\to Y,\; g:Y\to Z$ Abbildungen.
\begin{enumerate}
\index{Potenzmenge}
\index{Disjunktheit}
\item
\begin{enumerate}
\item $\mathcal{P}(X):=\{A:A\subseteq X\}$ heißt
\textbf{Potenzmenge} von $X$.
\item Sei $\fm\subseteq\mathcal{P}(X)$, so heißt $\fm$
\textbf{disjunkt}, genau dann wenn $A\cap B=\emptyset$
für $A,B\in\fm$ mit $A\ne B$.
\item Sei $(A_j)$ eine Folge in $\mathcal{P}(X)$ (also
$A_j\subseteq X$), so heißt $(A_j)$ \textbf{disjunkt},
genau dann wenn $\{A_1,A_2,\dots\}$ disjunkt ist.\\
\textbf{Schreibweise}:\\
\begin{align*}
\dot{\bigcup}_{j=1}^\infty &:=\bigcup_{j=1}^\infty A_j\\
\bigcup_{j=1}^\infty A_j &:=\bigcup A_j\\
\bigcap_{j=1}^\infty A_j &:=\bigcap A_j\\
\sum_{j=1}^\infty a_j &=: \sum a_j
\end{align*}
\end{enumerate}
\item Sei $A\subseteq X$, $\mathds{1}_A : X \rightarrow R$
definiert durch:
\[\mathds{1}_A(x):= \begin{cases}
1 &\text{falls } x\in A\\
0 &\text{falls } x\in A^c
\end{cases}\]
wobei $A^c:=X\setminus A$. $\mathds{1}_A$ heißt die
\textbf{charakteristische Funktion} oder
\textbf{Indikatorfunktion von A}.
\item Sei $B\subseteq Y$ dann ist $f^{-1}(B):=\{x\in X: f(x)\in B\}$
und es gelten folgende Eigenschaften:
\begin{enumerate}
\item $f^{-1}(B^c)=f^{-1}(B)^c$
\item Ist $B_j$ eine Folge in $\mathcal{P}(Y)$, so gilt:
\begin{align*}
f^{-1}(\bigcup B_j)=\bigcup f^{-1}(B_j)\\
f^{-1}(\bigcap B_j)=\bigcap f^{-1}(B_j)\\
\end{align*}
\item Ist $C\subseteq Z$, so gilt:
\[(g\circ f)^{-1}(C)=f^{-1}(g^{-1}(C))\]
\end{enumerate}
\end{enumerate}
\begin{definition}
\index{offen}
Sei $n \in \mdn$ und $\emptyset \neq X \subseteq \mdr^n$ und
$A \subseteq X$.
$A$ heißt $\stackrel{\text{offen}}{\text{abgeschlossen}}$ in
$X :\Leftrightarrow \exists B \subseteq \mdr^n$.
$B$ ist $\stackrel{\text{offen}}{\text{abgeschlossen}}$ und
$A = B \cap X$
\end{definition}
\begin{satz}
Sei $\emptyset \neq X \subseteq \mdr^n,\; A \subseteq X$ und
$f: X \rightarrow \mdr^n$.
\begin{enumerate}
\item $A$ ist offen in $X \Leftrightarrow \forall x \in A$
ex. eine Umgebung $U$ von $x$ mit $U \cap X \subseteq A$
\item $A$ ist abgeschlossen in $X$\\
$\Leftrightarrow X \setminus A$ ist offen in $X$\\
$\Leftrightarrow$ für jede konvergente Folge $(a_k)$
in $A$ mit $\lim a_k \in X$ ist $\lim a_k \in A$
\item Die folgenden Aussagen sind äquivalent:
\begin{enumerate}
\item $f \in C(X, \mdr^m)$
\item für jede offene Menge $B \subseteq \mdr^m$ ist
$f^{-1}(B)$ offen in $X$
\item für jede abgeschlossene Menge $B \subseteq \mdr^m$ ist
$f^{-1}(B)$ abgeschlossen in $X$
\end{enumerate}
\end{enumerate}
\end{satz}

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@ -0,0 +1,308 @@
Die Bezeichnungen seien wie in den Kapitel 8 und 9.
\begin{satz}[Satz von Tonelli]
\label{Satz 10.1}
Es sei \(f\colon\mdr^d\to[0,+\infty]\) messbar. (Aus \S 8 folgt dann, dass \(f^x,f_y\) messbar sind, wobei klar ist, dass \(f^x,f_y\geq 0\) sind.)\\
Für \(x\in\mdr^k\):
\[F(x):=\int_{\mdr^l}f(x,y)\,dy=\int_{\mdr^l}f^x(y)\,dy\]
Für \(y\in\mdr^l\):
\[G(y):=\int_{\mdr^k}f(x,y)\,dx=\int_{\mdr^k}f_y(x)\,dx\]
Dann sind $F,G$ messbar und
\[\int_{\mdr^d}f(z)\,dz=\int_{\mdr^k}F(x)\,dx=\int_{\mdr^l}G(y)\,dy\]
also
\begin{align*}
\tag{$*$}\int_{\mdr^d}f(x,y)\,d(x,y)=\int_{\mdr^k}\left(\int_{\mdr^l}f(x,y)\,dy\right)dx=\int_{\mdr^l}\left(\int_{\mdr^k}f(x,y)\,dx\right)dy
\end{align*}
\textbf{(iterierte Integrale)}
\end{satz}
\begin{beweis}
\textbf{Fall 1:} Sei \(C\in\fb_d\) und \(f=\mathds{1}_{C}\). Die Behauptungen folgen dann aus \ref{Satz 9.1}.\\
\textbf{Fall 2:} Sei \(f\geq 0\) und einfach. Die Behauptungen folgen aus Fall 1, \ref{Satz 3.6} und \ref{Satz 4.5}.\\
\textbf{Fall 3 - Der allgemeine Fall:}\\
Sei \((f_n)\) zulässig für $f$, also: \(0\leq f_n\leq f_{n+1}\), \(f_n\) einfach und \(f_n\to f\) auf \(\mdr^d\).
Für \(x\in\mdr^k\) und \(\natn\) gilt:
\[F_n(x):=\int_{\mdr^l}f_n(x,y)\,dy\]
und nach Fall 2 ist \(F_n\) messbar. \\
Aus \(0\leq f_n\leq f_{n+1}\) folgt \(0\leq F_n\leq F_{n+1}\) und \ref{Satz 4.6} liefert \(F_n\to F\) auf \(\mdr^k\). Dann gilt
\[\int_{\mdr^d}f(z)\,dz = \lim \int_{\mdr^d}f_n(z)\,dz \overset{Fall 2}= \lim \int_{\mdr^k}F_n(x)\,dx \overset{\ref{Satz 4.6}}=\int_{\mdr^k}F(x)\,dx\]
Genauso zeigt man
\[\int_{\mdr^d}(f(z)\,dz=\int_{\mdr^l}G(y)\,dy\]
\end{beweis}
\begin{satz}[Satz von Fubini (Version I)]
\label{Satz 10.2}
Es sei \(f\colon\mdr^d\to\imdr\) integrierbar. Dann existieren Nullmengen \(M\subseteq\mdr^k\) und \(N\subseteq\mdr^l\) mit
\begin{align*}
f^x\colon\mdr^l\to\imdr \text{ ist integrierbar für jedes } x\in\mdr^k\setminus M \\
f_y\colon\mdr^k\to\imdr \text{ ist integrierbar für jedes } y\in\mdr^l\setminus N
\end{align*}
Setze
\begin{align*}
F(x):=
\begin{cases}
\int_{\mdr^l}f^x(y)\,dy=\int_{\mdr^l}f(x,y)\,dy & \text{, falls } x\in\mdr^k\setminus M \\
0 & \text{, falls } x\in M
\end{cases}
\intertext{und}
G(y):=
\begin{cases}
\int_{\mdr^k}f_y(x)\,dx=\int_{\mdr^k}f(x,y)\,dx & \text{, falls } y\in\mdr^l\setminus N \\
0 & \text{, falls } y\in N
\end{cases}
\end{align*}
Dann sind $F$ und $G$ integrierbar und es gelten folgende zwei Gleichungen
\[ \int_{\mdr^d}f(z)\,dz = \int_{\mdr^k}F(x)\,dx = \int_{\mdr^l}G(y)\,dy \]
Es gilt also wieder \((\ast)\) aus \ref{Satz 10.1}.
\end{satz}
\begin{beweis}
Wir zeigen nur die Aussagen über \(f^x\), $F$ und die erste der obigen beiden Gleichungen. Genauso zeigt man die Aussagen über \(f_n, G\) und die zweite Gleichung.\\
Aus \ref{Lemma 8.1} folgt, dass \(f^x\) messbar ist. Definiere
\begin{align*}
\Phi(x) := \int_{\mdr^l}\lvert f^x(y)\rvert\,dy
= \int_{\mdr^l}\lvert f(x,y)\rvert\,dy \ \text{ für } x\in\mdr^k
\end{align*}
Nach \ref{Satz 10.1} ist \(\Phi\) messbar und
\begin{align*}
\int_{\mdr^k}\Phi(x)\,dx
= \int_{\mdr^k}\left(\int_{\mdr^l}\lvert f(x,y)\rvert\,dy\right)dx \overset{\ref{Satz 10.1}}
= \int_{\mdr^d}\lvert f(z)\rvert\,dz
< \infty
\end{align*}
(denn mit $f$ ist nach \ref{Satz 4.9} auch \(\lvert f\rvert\) integrierbar). Somit ist \(\Phi\) integrierbar.
Setze \(M:=\{\Phi = \infty \}\) was nach \ref{Satz 4.10} eine Nullmenge ist.
Also gilt:
\begin{align*}
\int_{\mdr^l}\lvert f^x(y)\rvert\,dy
= \Phi(x) < \infty \ \text{ für jedes } x\in\mdr^k\setminus M
\end{align*}
Das heißt, \(\lvert f^x\rvert\) ist für jedes \(x\in\mdr^k\setminus M\) integrierbar und es gilt nach \ref{Satz 4.9} auch
\begin{align*}
f^x \text{ ist integrierbar für jedes } x\in\mdr^k\setminus M
\end{align*}
Aus \ref{Folgerung 9.2} folgt, dass \(M\times\mdr^l\) eine Nullmenge ist.
Setze
\begin{align*}
\tilde f(z):=
\begin{cases}
f(z) &\text{, falls } z\in\mdr^d\setminus(M\times\mdr^l)\\
0 &\text{, falls } z\in M\times\mdr^l
\end{cases}
\end{align*}
Aus \ref{Lemma 9.3} folgt, dass \(\tilde f\) messbar ist. Klar ist, dass fast überall \(f=\tilde f\) gilt. Es ist
\[\tilde f^x = \left(\mathds{1}_{(M\times\mdr^l)^C}\cdot f\right)^x\]
Das heißt \(\tilde f^x\) ist integrierbar für jedes \(x\in\mdr^k\). Dann gilt
\begin{align*}
F(x) \overset{\ref{Satz 5.3}}
= \int_{\mdr^l}\tilde f(x,y)\,dy
= \underbrace{\int_{\mdr^l}\tilde f_+ (x,y)\,dy}_{=:F^+(x)} - \underbrace{\int_{\mdr^l}\tilde f_- (x,y)\,dy}_{=:F^-(x)}
\end{align*}
Nach \ref{Satz 10.1} sind \(F^+\) und \(F^-\) messbar. Die Dreiecksungleichung liefert nun
\begin{align*}
\lvert F(x)\rvert
\leq \int_{\mdr^l}\lvert \tilde f(x,y)\rvert\,dy
\overset{\ref{Satz 5.3}}= \int_{\mdr^l}\lvert f(x,y)\rvert\,dy
= \Phi(x) \ \text{ für } x\in\mdr^k
\end{align*}
Also ist \(\lvert F\rvert\leq\Phi\) und \(\Phi\) ist integrierbar. Aus \ref{Satz 4.9} folgt, dass $F$ und \(\lvert F\rvert\) integrierbar sind
und dann sind auch \(F^+\) und \(F^-\) integrierbar (zur Übung). Es folgt
\begin{align*}
\int_{\mdr^k}F(x)\,dx
& = \int_{\mdr^k}F^+(x)\,dx - \int_{\mdr^k}F^-(x)\,dx \\
& = \int_{\mdr^k} \left(\int_{\mdr^l} \tilde f_+(x,y)\,dy\right)dx - \int_{\mdr^k} \left(\int_{\mdr^l}\tilde f(x,y)\,dy\right)dx \\
& \overset{\ref{Satz 10.1}}= \int_{\mdr^d}\tilde f_+(z)\,dz - \int_{\mdr^d}\tilde f_-(z)\,dz \\
& = \int_{\mdr^d}\tilde f(z)\,dz \\
& = \int_{\mdr^d}f(z)\,dz
\end{align*}
\end{beweis}
\begin{satz}[Satz von Fubini (Version II)]
\label{Satz 10.3}
Sei \(\emptyset\neq X\in\fb_k\), \(\emptyset\neq Y\in\fb_l\) und \(D:=X\times Y\) (nach \S 8 ist \(D\in\fb_d\)).
Es sei \(f\colon D\to\imdr\) messbar.
Ist \(f\geq 0\) auf $D$ oder ist $f$ integrierbar, so gilt
\[ \int_D f(x,y)\,d(x,y) = \int_X\left(\int_Yf(x,y)\,dy\right)dx = \int_Y\left(\int_Xf(x,y)\,dx\right)dy \]
\end{satz}
\begin{beweis}
Definiere \(\tilde f\) wie in \ref{Lemma 9.3} und wende \ref{Satz 10.1} beziehungsweise \ref{Satz 10.2} an.
\end{beweis}
\begin{bemerkung}
\ref{Satz 10.1}, \ref{Satz 10.2} und \ref{Satz 10.3} gelten natürlich auch für mehr als zwei iterierte Integrale.
\end{bemerkung}
\textbf{"'Gebrauchsanweisung"' für Fubini:}\\
Gegeben: \(\emptyset\neq D\subseteq\fb_d\) und messbares \(f\colon D\to\imdr\).
Setze $f$ auf \(\mdr^d\) zu einer messbaren Funktion \(\tilde f\) fort (zum Beispiel wie in \ref{Lemma 9.3}).
Aus \ref{Satz 3.8} folgt dann, dass \(\mathds{1}_{D}\tilde f\) messbar ist und \ref{Satz 10.1} liefert
\begin{align*}
\int_{\mdr^d}\lvert \mathds{1}_{D}\tilde f\rvert\,dz
= \int_{\mdr^k}\left(\int_{\mdr^l}\lvert \mathds{1}_{D}\tilde f\rvert\,dy\right)dx
= \int_{\mdr^l}\left(\int_{\mdr^k}\lvert \mathds{1}_{D}\tilde f\rvert\,dx\right)dy
\end{align*}
Ist eines der drei obigen Integrale endlich, so ist \(\lvert \mathds{1}_{D}\tilde f\rvert\) integrierbar und
damit ist nach \ref{Satz 4.9} auch \(\mathds{1}_{D}\tilde f\) integrierbar.\\
Dann ist $f$ integrierbar und es folgt
\begin{align*}
\int_Df(z)\,dz
& = \int_{\mdr^d}\left(\mathds{1}_{D}\tilde f\right)(z)\,dz \\
& \overset{\ref{Satz 10.2}}= \int_{\mdr^k}\left(\int_{\mdr^l}\left(\mathds{1}_{D}\tilde f\right)(x,y)\,dy\right)dx \\
& = \int_{\mdr^l}\left(\int_{\mdr^k}\left(\mathds{1}_{D}\tilde f\right)(x,y)\,dx\right)dy
\end{align*}
\begin{beispiel}
\begin{enumerate}
\item Sei \(D=[a_1,b_1]\times[a_2,b_2]\times\dots\times[a_d,b_d]\) mit \(a_i\leq b_i \ (i=1,\dots,d)\).
Es sei \(f\colon D\to\mdr\) stetig. $D$ ist kompakt, also gilt \(D\in\fb_d\).
Nach \ref{Satz 4.12}(2) ist \(f\in\mathfrak{L}^1(D)\) und aus obiger Bemerkung folgt
\begin{align*}
\int_Df(x_1,\dots,x_d)\,d(x_1,\dots,x_d)
= \int_{a_d}^{b^d} \left(\dots \left( \int_{a_2}^{b^2} \left(\int_{a_1}^{b^1}f(x_1,\dots,x_d)\,dx_1\right)dx_2\right)\dots\right)dx_d
\end{align*}
Die Reihenfolge der Integrationen darf beliebig vertauscht werden. Aus \ref{Satz 4.13} folgt
\[\int_{a_i}^{b_i}\dots \text{ d}x_i= \text{R-}\int_{a_i}^{b_i}\dots\text{ d}x_i\]
\textbf{Konkretes Beispiel}\\
Sei \(D:=[a,b]\times[c,d]\subseteq\mdr^2\), \(f\in C([a,b])\) und \(g\in C([c,d])\).
\begin{align*}
\int_Df(x)g(y)\,d(x,y)
& = \int_c^d\left(\int_a^bf(x)g(y)\,dx\right)dy \\
& = \int_c^d\left(g(y)\left(\int_a^bf(x)\,dx\right)\right)dy \\
&= \left(\int_a^bf(x)\,dx\right) \left(\int_c^dg(y)\,dy\right)
\end{align*}
\item
Wir rechtfertigen die "'Kochrezepte"' aus Analysis II, Paragraph 15.
Seien \(a,b\in\mdr\) mit \(a<b\) und \(I:=[a,b]\). Weiter seien
\(h_1,h_2\in C(I)\) mit \(h_1\leq h_2\) auf \(I\) und
\[A:=\{(x,y)\in\mdr^2: x\in I, h_1(x)\leq y\leq h_2(x)\}\]
Sei \(f\colon A\to\mdr\) stetig. Da \(h_1\) und \(h_2\) stetig
sind, ist \(A\) kompakt und somit gilt \(A\in\fb_2\). Aus
\ref{Satz 4.12}(2) folgt dann \(f\in\mathfrak{L}^1(A)\).
Definiere
\[\tilde f(x,y)=
\begin{cases}
f(x,y) &\text{, falls } (x,y)\in A \\
0 &\text{, falls } (x,y)\notin A
\end{cases}
\]
Nach \ref{Lemma 9.3} ist \(\tilde f\) messbar. Setze
\[M:=\max\{\lvert f(x,y)\rvert:(x,y)\in A\}\]
Dann gilt \(\lvert\tilde f\rvert \leq M\cdot\mathds{1}_A\).
Wegen \(\lambda_2(A)<\infty\) ist \(M\cdot\mathds{1}_A\)
integrierbar und nach \ref{Satz 4.9} ist \(\lvert\tilde f\rvert\)
und damit auch \(\tilde f\) integrierbar. Dann ist
\begin{align*}
\int_A f(x,y)\,d(x,y) &= \int_{\mdr^2}\tilde f(x,y)\,d(x,y) \\
& \overset{\ref{Satz 10.3}}=
\int_\mdr\left(\int_\mdr\tilde f (x,y)\,dy\right)dx \\
&=\int_a^b\left(\int^{h_2(x)}_{h_1(x)}f(x,y)\,dy\right)dx
\end{align*}
Damit ist 15.1 aus Analysis II bewiesen. Genauso zeigt man 15.3.
\item
Sei \(D:=\{(x,y)\in\mdr^2:x\geq 1, 0\leq y\leq\frac1x\}\) und
\(f(x,y):=\frac1x\cos(xy)\). $D$ ist abgeschlossen und somit ist
\(D\in\fb_2\). Außerdem ist $f$ stetig, also messbar. \\
\textbf{Behauptung: } \[f\in\mathfrak{L}^1(D)\text{ und }\int_Df(x,y)\,d(x,y)=\sin(1)\]
\textbf{Beweis: } Setze \(X:=(0,\infty)\), \(Y:=[0,\infty)\) und
\(Q:=X\times Y\). Sei nun \[\tilde f(x,y):=\frac1x\cos(xy) \text{ für }
(x,y)\in Q\]
\(\tilde f\) ist eine Fortsetzung von \(f\) auf \(X\times Y\).
\(\tilde f\) ist also messbar. Es ist
\begin{align*}
\int_D\lvert f\rvert\,d(x,y)
&=\int_Q\mathds{1}_D\cdot\lvert\tilde f\rvert\,d(x,y) \\
&\overset{\ref{Satz 10.1}}=
\int_X\left(\int_Y\mathds{1}_D(x,y)\frac1x\lvert\cos(xy)\rvert
\,dy\right)dx \\
&\int^\infty_1\left(\int^\frac1x_0 \frac1x\lvert\cos(xy)\rvert
\,dy\right)dx \\
&\leq \int^\infty_1\left(\int^\frac1x_0 \frac1x\,dy\right)dx \\
&=\int^\infty_1\frac1{x^2}\,dx = 1<\infty
\end{align*}
Also ist \(\lvert f\rvert\) integrierbar und dann nach \ref{Satz 4.9}
auch $f$, also \(f\in\mathfrak{L}^1(D)\). Dann:
\begin{align*}
\int_D f\,d(x,y)
&= \int_X\left(\int_Y\mathds{1}_D(x,y)\frac1x\cos(xy)\,dy\right)
dx \\
&\overset{\text{wie oben}}=
\int^\infty_1\left(\int^\frac1x_0 \frac1x\cos(xy)\,dy\right)dx\\
&= \left. \int^\infty_1\left(\frac1x\cdot\frac1x\sin(xy)
\right\rvert^{y=\frac1x}_{y=0}\right)dx \\
&= \int^\infty_1\frac1{x^2}\sin(1)\,dx \\
&= \sin(1)
\end{align*}
\end{enumerate}
\end{beispiel}
\textbf{Vorbemerkung: } Sei \(x>0\). Für \(b>0\) gilt
\begin{align*}
\int^b_0 e^{-xy}\,dy = \left. -\frac1x e^{-xy}\right\rvert^b_0
=-\frac1x e^{-xb}+\frac1x
\overset{b\to\infty}\longrightarrow\frac1x
\end{align*}
und daraus folgt \(\int_0^\infty e^{-xy}\,dy=\frac1x\)
\begin{beispiel}
\begin{enumerate}
\item[(4)]
Sei
\[g:=
\begin{cases}
\frac{\sin x}{x} &\text{, falls } x>0 \\
1 &\text{, falls } x=0
\end{cases}\]
$g$ ist stetig auf \([0,\infty)\). Aus Analysis 1 ist bekannt, dass
\(\int_0^\infty g(x)\,dx\) konvergent, aber \textbf{ nicht }
absolut konvergent ist. Aus \ref{Satz 4.14} folgt, dass
\(g\notin\mathfrak{L}^1\left([0,\infty)\right)\)\\
\textbf{Behauptung: } \(\int^\infty_0 g(x)\,dx = \frac\pi{2}\)\\
\textbf{Beweis: } Setze \(X:=[0,R]\) mit \(R>0\), \(Y:=[0,\infty)\) und
\(D:=X\times Y\), sowie
\[f(x,y):= e^{-xy}\sin x \text{ für } (x,y)\in D\]
Es ist \(D\in\fb_2\) und $f$ stetig, also messbar. Es ist weiter
\(f\in\mathfrak{L}^1(D)\) (warum?) und
\begin{align*}
\int_D f(x,y)\,d(x,y)
&\overset{\ref{Satz 10.3}}=
\int_X\left(\int_Y f(x,y)\,dy\right)dx \\
&=\int_0^R\left(\int_0^\infty e^{-xy}\sin x\,dy\right)dx\\
&=\int^R_0\sin x\left(\int_0^\infty e^{-xy}\,dy\right)dx\\
&\overset{\text{Vorbemerkung}}=
\int^R_0\frac{\sin x}{x}\,dx =:I_R
\end{align*}
Dann gilt
\begin{align*}
I_R
&\overset{\ref{Satz 10.3}}=
\int_Y\left(\int_X f(x,y)\,dx\right)dy
=\int^\infty_0\underbrace{
\left(\int^R_0 e^{-xy}\sin x\,dx\right)}_{=:\varphi(y)}dy
\end{align*}
Zweimalige partielle Integration liefert (nachrechnen!):
\[\varphi(y)=\frac1{1+y^2}-\frac1{1+y^2}e^{-yR}(y\sin R+\cos R)\]
Damit gilt
\begin{align*}
I_R=
\int^\infty_0 \frac{dy}{1+y^2}
-\int^\infty_0\frac1{1+y^2}e^{-yR}(y\sin R+\cos R)\,dy
\end{align*}
Aus Analysis 1 ist bekannt, dass das erste Integral gegen
\(\frac{\pi}2\) konvergiert und das zweite Integral setzen
wir gleich \(\tilde I_R\).\\
Es gilt
\begin{align*}
\lvert\tilde I_R\rvert
&\leq \int^\infty_0\frac1{1+y^2}e^{-yR}
(y\lvert\sin R\rvert + \lvert\cos R\rvert)\,dy \\
&\leq \int^\infty_0\frac{y+1}{y^2+1} e^{-yR}\,dy\\
&\leq 2\int^\infty_0 e^{-yR}\,dy \\
&\overset{\text{Vorbemerkung}}=\frac2R
\end{align*}
Das heißt also \(\tilde I_R\to 0 \ (R\to\infty)\) und damit folgt
die Behauptung durch
\[I_R=\frac{\pi}2-\tilde I_R\to\frac{\pi}2 \ (R\to\infty)\]
\end{enumerate}
\end{beispiel}

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@ -0,0 +1,245 @@
Die Sätze in diesem Kapitel geben wir \textbf{ohne} Beweis an. Es seien
\(X,Y\subseteq\mdr^d\) nichtleer und offen.
\begin{definition}
\index{Diffeomorphismus}
Sei \(\Phi\colon X\to Y\) eine Abbildung. \(\Phi\) heißt
\textbf{Diffeomorphismus} genau dann wenn \(\Phi\in C^1(X,\mdr^d)\), \(\Phi\)
ist bijektiv und \(\Phi^{-1}\in C^{1}(Y,\mdr^d)\).\\
Es gilt \[x=\Phi^{-1}(\Phi(x))\text{ für jedes } x\in X\]
Kettenregel: \[I=\left(\Phi^{-1}\right)^\prime(\Phi(x))\cdot\Phi^\prime(x)
\text{ für jedes } x\in X\] Das heißt \(\Phi^\prime(x)\) ist invertierbar für
alle \(x\in X\) und somit ist \(\det\left(\Phi^\prime(x)\right)\neq 0\)
für alle \(x\in X\).
\end{definition}
\begin{satz}[Transformationssatz (Version I)]
\label{Satz 11.1}
\(\Phi\colon X\to Y\) sei ein Diffeomorphismus.
\begin{enumerate}
\item \(f\colon Y\to[0,+\infty]\) sei messbar und für \(x\in X\) sei
\(g(x):=f\left(\Phi(x)\right)\cdot\lvert\det\Phi^\prime(x)\rvert\).\\
Dann ist \(g\) messbar und es gilt:
\begin{align*}\tag{$*$} \int_Yf(y)\,dy=\int_Xg(x)\,dx=\int_Xf\left(\Phi(x)\right)
\cdot\lvert\det\Phi^\prime(x)\rvert\,dx\end{align*}
\item \(f\colon Y\to\imdr\) sei integrierbar und $g$ sei definiert wie in (1).
Dann ist $g$ integrierbar und es gilt die Formel \((\ast)\).
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{erinnerung}
\index{Inneres}
Sei \(A\subseteq\mdr^d\) und \(A^\circ:=\{x\in A :\text{ es existiert ein } r=r(x)>0
\text{ mit } U_r(x)\subseteq A\}\) das \textbf{Innere} von $A$. $A^\circ$ ist offen!
\end{erinnerung}
\begin{beispiel}
Sei \(A=\mdr\setminus\mdq\). Es ist \(A^\circ=\emptyset\) und
\(A\setminus A^\circ=A\). Aus \(\mdr=A\dot\cup\mdq\) folgt
\[\infty=\lambda_1(\mdr)=\lambda_1(A)+\lambda_1(\mdq)=\lambda_1(A)\]
Das heißt \(A\setminus A^\circ\) ist keine Nullmenge.
\end{beispiel}
\begin{satz}[Transformationssatz (Version II)]
\label{Satz 11.2}
Es sei $\emptyset \neq U \subseteq \MdR^d$ offen, $\Phi \in C^1(U, \MdR^d)$, $A \subseteq U$, $A \in \fb_d$,
$X := A^{\circ}$ und $A \setminus A^{\circ}$ eine Nullmenge.
Weiter sei $\Phi$ injektiv auf $X$, $\det\Phi' \neq 0$ für alle $x \in X$, $B:=\Phi(A) \in \fb_d$ und
$g(x) = f(\Phi(x)) \cdot \lvert\det\Phi'(x)\rvert$ für $x \in A$.
%% BILD: von Phi und Mengen
Dann gilt:
\begin{enumerate}
\item $Y := \Phi(X)$ ist offen und $\Phi: X\to Y$ ist ein Diffeomorphismus.
\item Ist $f\colon B \to [0, \infty]$ messbar, so ist $g\colon A \to [0, \infty]$ messbar und
\[ \int_B f(y) \, dy = \int_A g(x) \, dx= \int_A f(\Phi(x)) \cdot\lvert\det(\Phi'(x))\rvert \, dx \qquad (\ast\ast)\]
\item Ist $f\colon B \to \imdr$ messbar, so gilt:\\
\[ f \in \fl^{1}(B) \gdw g \in \fl^{1}(A) \]
Ist $f \in \fl^{1}(B)$ so gilt $(\ast\ast)$
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{folgerungen}
\label{Folgerung 11.3}
\begin{enumerate}
\item Sei $T\colon \MdR^d \to \MdR^d$ linear und $\det T \neq 0$. Weiter sei $A \in \fb_d$ und $v \in \MdR^d$.
Dann ist $T(A) \in \fb_d$ und es gilt:
\[\lambda_d(T(A)+v) = \lvert\det T\rvert \cdot\lambda_d(A)\]
\item $\Phi\colon X \to Y$ sei ein Diffeomorphismus und $A \in \fb(X)$.
Dann ist $\Phi(A) \in \fb_d$ und es gilt:
\[\lambda_d(\Phi(A)) = \int_A |\det \Phi'(X)| \, dx\]
\item Sei $F \in C^1(X, \MdR^d)$ und $N \subseteq X$ eine Nullmenge.
Dann ist $F(N)$ enthalten in einer Nullmenge.
\end{enumerate}
\end{folgerungen}
\begin{beispiel}
Seien $a,b > 0$ und $T:=\begin{pmatrix} a & 0 \\ 0 & b \end{pmatrix}$, $\det T = a b > 0$. Definiere:
\[A:=\{(x,y)\in \MdR^2: x^2 + y^2 \leq 1\}\]
Dann ist $A \in \fb_2$ und $\lambda_2(A) = \pi$.
\begin{align*}
(u,v) \in T(A) &\gdw \exists (x,y)\in A: (u,v) = (a x, b y)\\
&\gdw \exists (x,y) \in A: (x = \frac{u}{a})\wedge (y = \frac{v}{b})\\
&\gdw \frac{u^2}{a^2} + \frac{v^2}{b^2} \leq 1
\end{align*}
%% BILD: einer Ellipse
Aus \ref{Folgerung 11.3} folgt $T(A) \in \fb_2$ und $\lambda(T(A)) = a b \pi$.
\end{beispiel}
\setcounter{section}{3}
\section{Polarkoordinaten}
\index{Polarkoordinaten}
%% BILD: von PK neben Formeln
%% Tabellarisches Layout?
Jeder Vektor im $\mdr^2$ lässt sich nicht nur durch seine Projektionen auf die Koordinatenachsen $(x,y)$, sondern auch eindeutig durch seine Länge $r$ und den (kleinsten positiven) Winkel $\varphi$ zur $x$-Achse darstellen. Diese Darstellung $(r,\varphi)$ heißen die \textbf{Polarkoordinaten} des Vektors. Dabei gilt:
\[r = \|(x,y)\| = \sqrt{x^2 + y^2}\]
und
\[\begin{cases}
x = r \cos(\varphi)\\
y = r \sin(\varphi)
\end{cases}\]
Definiere nun für $(r,\varphi) \in [0,\infty)\times[0,2\pi]$:
\[\Phi(r,\varphi) := (r \cos(\varphi), r \sin(\varphi))\]
Dann ist $\Phi \in C^1(\MdR^2, \MdR^2)$ und es gilt:
\[\Phi'(r,\varphi) = \begin{pmatrix}
\cos(\varphi) & -r \sin(\varphi) \\
\sin(\varphi) & r \cos(\varphi)
\end{pmatrix}\]
d.h. falls $r > 0$ ist gilt:
\[\det\Phi'(r,\varphi) = r \cos^2(\varphi) + r \sin^2(\varphi) = r > 0\]
\begin{bemerkung}[Faustregel für Polarkoordinaten]
Ist ein Integral der Form $\int_B f(x,y) d(x,y)$ zu berechnen, so lässt sich oft eine Menge $A$ finden, sodass $\Phi(A) = B$ ist.
%% BILD: Kreissektor <=> Rechteck
Mit \ref{Satz 11.2} folgt dann:
\[\int_B f(x,y) \text{ d}(x,y) = \int_A f(r \cos \varphi, r \sin \varphi) \cdot r \text{ d}(r,\varphi)\]
\end{bemerkung}
\begin{beispiel}
\begin{enumerate}
\item Sei $0 \le \rho < R$. Definiere
\[B := \{(x,y) \in \MdR^2 : \rho^2 \le x^2 + y^2 \le R^2\} \]
Dann gilt:
%% BILD: der Kreisfläche und Trafo
\begin{align*}
\lambda_2(B) &= \int_B 1 \text{ d}(x,y)\\
&= \int_A 1 \cdot r \text{ d}(r,\varphi)\\
&\overset{\text{§\ref{Kapitel 10}}}= \int_{\rho}^{R} \left( \int_0^{2\pi} r \text{ d}\varphi \right) \text{ d}r\\
&= \left[ 2\pi \frac{1}{2} r^2 \right]_\rho^R\\
&= \pi (R^2 - \rho^2)
\end{align*}
\item Definiere
\[B := \{ (x,y) \in \MdR^2 : x^2 + y^2 \le 1, y \ge 0 \}\]
%% BILD: der (Halb)Kreisfläche und Trafo
Dann gilt:
\begin{align*}
\int_B y \sqrt{x^2+y^2} \text{ d}(x,y) &= \int_A r \sin(\varphi) r \cdot r \text{ d}(r,\varphi)\\
&= \int_A r^3 \sin\varphi \text{ d}(r,\varphi) \\
&\overset{\text{§\ref{Kapitel 10}}}= \int_0^\pi \left( \int_0^1 r^3 \sin\varphi \text{ d}r \right) \text{ d}\varphi\\
&= \frac{1}{4} \int_0^\pi \sin\varphi \text{ d}\varphi\\
&= \left[ \frac{1}{4}(-\cos\varphi) \right]_0^\pi\\
&= \frac{1}{4}(1+1) = \frac{1}{2}
\end{align*}
\item \textbf{Behauptung:} \[\int_{-\infty}^\infty e^{-x^2} \, dx = \sqrt{\pi}\]
\textbf{Beweis:}
%% BILD: Bilder von Kreis und Rechtecktrafos/näherungen
Für $\rho > 0$ sei
\[B_\rho := \{(x,y) \in \MdR^2 \mid x,y\ge 0, x^2+ y^2 \le \rho^2\}\]
Weiterhin sei $Q_\rho := [0,\rho] \times [0,\frac{\pi}2]$ und $f(x,y) = e^{-(x^2 + y^2)}$. Dann gilt:
\begin{align*}
\int_{ B_\rho } f(x,y) \text{ d}(x,y) &= \int_{Q_\rho} e^{-r^2} r\text{ d}(r,\varphi)\\
&\overset{\text{§\ref{Kapitel 10}}}= \int_0^{\frac{\pi}{2}} \left( \int_0^\rho r e^{-r^2} \text{ d}r \right) \text{ d}\varphi \\
&= \frac{\pi}{2} \left[ -\frac{1}{2} e^{-r^2} \right]_{0}^{\rho}\\
&= \frac{\pi}{2} \left( -\frac{1}{2} e^{-\rho^2} +\frac{1}{2} \right) \\
& =: h(\rho) \stackrel{\rho \to \infty}\to \frac\pi4
\end{align*}
Außerdem gilt:
\begin{align*}
\int_{Q_\rho} f(x,y) \text{ d}(x,y) &= \int_{Q_\rho} e^{-x^2} e^{-y^2}\text{ d}(x,y) \\
&= \int_0^\rho \left( \int_0^\rho e^{-x^2} e^{-y^2} \text{ d}y \right) \text{ d}x \\
&= \left( \int_0^\rho e^{-x^2} \text{ d}x \right)^2
\end{align*}
Wegen $ B_\rho \subseteq Q_\rho \subseteq B_{\sqrt{2} \rho} $ und $f \ge 0$ folgt:
\begin{center}
\begin{tabular}{cccccc}
&$\int_{B_\rho} f \text{ d}(x,y)$ &$\le$ &$\int_{Q_\rho} f \text{ d}(x,y)$ &$\le$ &$\int_{B_{\sqrt{2} \rho}} f \text{ d}(x,y)$\\
$\implies$ &$h(\rho)$ &$\le$ &$\int_{Q_\rho} f \text{ d}(x,y)$ &$\le$ &$h(\sqrt{2} \rho)$ \\
$\implies$ &$h(\rho)$ &$\le$ &$\left( \int_0^\rho e^{-x^2} \text{ d}x \right)^2$ &$\le$ &$h(\sqrt{2} \rho)$ \\
$\implies$ &$\sqrt{h(\rho)}$ &$\le$ &$\int_0^\rho e^{-x^2} \text{ d}x$ &$\le$ &$\sqrt{h(\sqrt{2} \rho)}$\\
\end{tabular}
\end{center}
Mit $\rho \to \infty$ folgt daraus
\[\int_0^\infty e^{-x^2} \text{ d}x = \frac{\sqrt{\pi}}{2}\]
und damit die Behauptung.
\end{enumerate}
\end{beispiel}
\section{Zylinderkoordinaten}
\index{Zylinderkoordinaten}
Definiere für $(r,\varphi,z)\in[0,\infty)\times[0,2\pi]\times\mdr$:
\[\Phi(r,\varphi,z):=(r\cos(\varphi),r\sin(\varphi),z)\]
Dann gilt:
\[|\det\Phi'(r,\varphi,z)|=\left|\det
\begin{pmatrix}
\cos(\varphi)&-r\sin(\varphi)&0\\
\sin(\varphi)&r\cos(\varphi)&0\\
0&0&1\end{pmatrix}\right|=r
\]
\begin{bemerkung}[Faustregel für Zylinderkoordinaten]
Ist ein Integral der Form $\int_B f(x,y,z) d(x,y,z)$ zu berechnen, so lässt sich eine Menge $A$ finden, sodass $\Phi(A) = B$ ist.
Mit \ref{Satz 11.2} folgt dann:
\[\int_B f(x,y,z) \text{ d}(x,y,z) = \int_A f(r \cos \varphi, r \sin \varphi, z) \cdot r \text{ d}(r,\varphi,z)\]
\end{bemerkung}
\begin{beispiel}
Definiere
\[B:=\{(x,y,z)\in\mdr^3\mid x^2+y^2\le 1, x,y\ge 0,z\in[0,1]\}\]
Dann gilt:
\begin{align*}
\int_B z+y\sqrt{x^2+y^2}\text{ d}(x,y,z)&=\int_A(z+r\sin(\varphi)\cdot r)\cdot r\text{ d}(r,\varphi,z)\\
&=\int_A rz+r^3\sin(\varphi)\text{ d}(r,\varphi,z)\\
&=\int_0^1(\int_0^{\frac\pi 2}(\int_0^1 rz+r^3\sin(\varphi)\text{ d}r)\text{ d}\varphi)\text{ d}z\\
&=(\int_0^1 r\text{ d}r)\cdot(\int_0^1 z\text{ d}z)\cdot(\int_0^{\frac\pi 2} \text{ d}\varphi)+ (\int_0^1 r^3\text{ d}r)\cdot(\int_0^{\frac\pi 2} \sin(\varphi)\text{ d}\varphi)\cdot(\int_0^1 \text{ d}z)\\
&= \frac\pi 8+\frac14
\end{align*}
\end{beispiel}
\section{Kugelkoordinaten}
\index{Kugelkoordinaten}
Definiere für $(r,\varphi,\theta)\in [0,\infty)\times[0,2\pi]\times[0,\pi]$:
\[\Phi(r,\varphi,\theta):=(r\cos(\varphi)\sin(\theta),r\sin(\varphi)\sin(\theta),r\cos(\theta))\]
Dann gilt (nachrechnen!):
\[\det\Phi'(r,\varphi,\theta)= -r^2\sin(\theta)\]
\begin{bemerkung}[Faustregel für Kugelkoordinaten]
Ist ein Integral der Form $\int_B f(x,y,z) d(x,y,z)$ zu berechnen, so lässt sich eine Menge $A$ finden, sodass $\Phi(A) = B$ ist.
Mit \ref{Satz 11.2} folgt dann:
\[\int_B f(x,y,z) \text{ d}(x,y,z) = \int_A f(r\cos(\varphi)\sin(\theta),r\sin(\varphi)\sin(\theta),r\cos(\theta)) \cdot r^2\sin(\theta) \text{ d}(r,\varphi,\theta)\]
\end{bemerkung}
\begin{beispiel}
Definiere
\[B:=\{(x,y,z)\in\mdr^3\mid 1\le \|(x,y,z)\|\le 2, x,y,z\ge 0\}\]
Dann gilt:
\begin{align*}
\int_B \frac1{x^2+y^2+z^2}\text{ d}(x,y,z)&=\int_A \frac1{r^2}\cdot r^2\cdot\sin(\theta)\text{ d}(r,\varphi,\theta)\\
&=\int_A \sin(\theta)\text{ d}(r,\varphi,\theta)\\
&=\frac\pi2
\end{align*}
\end{beispiel}
\begin{beispiel}[Zugabe von Herrn Dr. Ullmann]
Wir wollen das Kugelvolumen $\lambda_3(K)$ mit $K:=\{(x,y,z)\in\mdr^3\mid\|(x,y,z)\|\le 1\}$ berechnen. Dann ist $K=\Phi(A)$ mit $A:= [0,1]\times[0,2\pi]\times [0,\pi]$. Und es gilt:
\begin{align*}
\lambda_3(K)&=\int_K 1\text{ d}(x,y,z)\\
&=\int_A r^2\sin(\theta)\text{ d}(r,\varphi,\theta)\\
&=\int_0^1(\int_0^{2\pi}(\int_0^\pi r^2\sin(\theta) \text{ d}\theta)\text{ d}\varphi)\text{ d}r\\
&=(\int_0^1 r^2 \text{ d}r)\cdot(\int_0^{2\pi} \text{ d}\varphi)\cdot(\int_0^\pi \sin(\theta) \text{ d}\theta)\\
&=\frac{4\pi}3
\end{align*}
\end{beispiel}

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@ -0,0 +1,42 @@
\begin{definition}
\index{Kreuzprodukt}
Seien $a=(a_1,a_2,a_3),b=(b_1,b_2,b_3)\in\mdr^3$. Dann heißt
\[a\times b:=(a_2b_3-a_3b_2,a_3b_1-a_1b_3,a_1b_2-a_2b_1)\]
das \textbf{Kreuzprodukt} von $a$ mit $b$.
Mit $e_1=(1,0,0),e_2=(0,1,0),e_3=(0,0,1)$ gilt formal:
\[a\times b = \det\begin{pmatrix}e_1&e_2&e_3\\a_1&a_2&a_3\\b_1&b_2&b_3\end{pmatrix}=\det\begin{pmatrix}e_1&a_1&b_1\\e_2&a_2&b_2\\e_3&a_3&b_3\end{pmatrix}\]
\end{definition}
\begin{beispiel}
Sei $a=(1,1,2), b=(1,1,0)$, dann gilt:
\[a\times b= \det \begin{pmatrix}e_1&1&1\\e_2&1&1\\e_3&2&0\end{pmatrix}=-2e_1-(-2)e_2+(1-1)e_3=(-2,2,0)\]
\end{beispiel}
\textbf{Regeln zum Kreuzprodukt:}
\begin{enumerate}
\item $b\times a= -a\times b$
\item $a\times a=0$
\item $(\alpha a)\times(\beta b)=\alpha\beta(a\times b)$ für $\alpha,\beta\in\mdr$
\item $a\cdot(a\times b)=b\cdot(a\times b)=0$
\end{enumerate}
\begin{definition}
\index{Divergenz}
Sei $\emptyset\ne D\subseteq\mdr^n$, $D$ offen und $f=(f_1,\dots,f_n)\in C^1(D,\mdr^n)$. Dann heißt
\[\divv f:=\frac{\partial f_1}{\partial x_1}+\dots+\frac{\partial f_n}{\partial x_n}\in C(D,\mdr)\]
die \textbf{Divergenz} von $f$.
\end{definition}
\begin{definition}
\index{Rotation}
Sei $\emptyset\ne D\subseteq\mdr^3$, $D$ offen und $F=(P,Q,R)\in C^1(D,\mdr^3)$. Dann heißt:
\[\rot F:=(R_y-Q_z,P_z-R_x,Q_x-P_y)\in C(D,\mdr^3)\]
die \textbf{Rotation} von $F$.
Dabei gilt formal:
\[\rot F=(\frac{\partial}{\partial x},\frac{\partial}{\partial y},\frac{\partial}{\partial z})\times(P,Q,R)\]
\end{definition}
\begin{definition}
\index{Tangentialvektor}
Sei $\gamma:[a,b]\to\mdr^n$ ein Weg. Ist $\gamma$ in $t_0\in[a,b]$ differenzierbar mit $\gamma'(t_0)\ne 0$, so heißt $\gamma'(t_0)\in\mdr^n$ \textbf{Tangentialvektor} von $\gamma$ in $t_0$.
\end{definition}

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@ -0,0 +1,67 @@
In diesem Kapitel sei $(x_0,y_0)\in\MdR^2$ (fest), es sei
$R:[0,2\pi]\to[0,\infty)$ stetig und stückweise stetig
differenzierbar und $R(0) = R(2\pi)$. Weiter sei
\begin{displaymath}
\gamma(t) := (x_0 + R(t)\cos t,y_0 + R(t)\sin t) \text{ } (t\in[0,2\pi])
\end{displaymath}
Dann ist $\gamma$ ein stückweise stetig differenzierbarer, geschlossener und rektifizierbarer Weg in $\MdR^2$. Es sei
\[B:= \{(x_0+r\cos t,y_0 + r\sin t): t\in [0,2\pi ], 0\le r\le R(t)\}\]
Dann ist $B$ kompakt, also $B\in\fb_2 $. Weiter ist $\partial B = \gamma([0,2\pi]) = \Gamma_\gamma$.\\
Sind $B$ und $\gamma$ wie oben, so heißt $B$ \begriff{zulässig}.
\index{zulässig}
\begin{beispiel}
Sei $R$ konstant, also $R(t) = R > 0$, so ist $B = \overline{U_R(x_0,y_0)}$
\end{beispiel}
\begin{satz}[Integralsatz von Gauß im $\MdR^2$]
\label{Satz 13.1}
$B$ und $\gamma$ seien wie oben ($B$ also zulässig). Weiter sei $D\subseteq \MdR^2$ offen, $B\subseteq D$ und $f = (u,v) \in C^1(D,\MdR^2)$. Dann
\begin{liste}
\item $\int_B u_x(x,y)d(x,y) = \int_{\gamma} u(x,y) d(y)$
\item $\int_B v_y(x,y)d(x,y) = -\int_{\gamma} v(x,y) d(x)$
\item $\int_B \divv f(x,y)d(x,y) = \int_{\gamma} (udy - vdx)$
\end{liste}
\end{satz}
\begin{folgerung}
Mit $f(x,y) := (x,y)$ erhält man aus \ref{Satz 13.1}: Sind $B$ und $\gamma$ wie in \ref{Satz 13.1}, so gilt:
\begin{liste}
\item $\lambda_2(B) = \int_\gamma xdy$
\item $\lambda_2(B) = -\int_\gamma ydx$
\item $\lambda_2(B) = \frac12\int_\gamma (xdy - ydx)$
\end{liste}
\end{folgerung}
\begin{beispiel}
Definiere
\[B:= \{(x,y)\in\MdR^2:x^2+y^2 \le R^2\}\quad (R>0)\]
und $\gamma(t) = (R\cos t,R\sin t)$, für $t\in[0,2\pi]$, dann gilt:
\[\lambda_2(B) = \int_0^{2\pi} R\cos t\cdot R\cos t \text{ d}t = R^2\int_0^{2\pi} \cos^2t \text{ d}t = \pi R^2\]
\end{beispiel}
\begin{beweis}
Wir beweisen nur (1). ((2) beweist man analog und (3) folgt aus (1) und (2))\\
O.B.d.A: $(x_0,y_0) = (0,0)$ und $R$ stetig db. Also $\gamma = (\gamma_1,\gamma_2)$, $\gamma (t) = (\underbrace{R(t)\cos t}_{= \gamma_1(t)},\underbrace{R(t)\sin t)}_{=\gamma_2(t)}$. $R$ stetig differenzierbar. $A:= \int_B u_x(x,y)d(x,y)$\\
Zu zeigen: $A=\int_0^{2\pi} u(\gamma (t))\cdot \gamma_2'(t) dt$.\\
Mit Polarkoordinaten, Transformations-Satz und Fubini:
\begin{displaymath}
A = \int_0^{2\pi }(\int_0^{R(t)} u_x(r\cos t,r\sin t)r dr) dt
\end{displaymath}
\begin{enumerate}
\item $\beta(r,t) := u(r\cos t,r\sin t)$. Nachrechnen: $r\beta_r(r,t)\cos t - \beta_t(r,t)\sin t = u_x(r\cos t,r\sin t)r$. Also:
\begin{displaymath}
A = \int_0^{2\pi} (\int_0^{R(t)} (r\beta_r(r,t)\cos t - \beta_t(r,t)\sin t) dr)dt
\end{displaymath}
\item $\int_0^{R(t)} r\beta_r(r,t) dr = r\beta(r,t)\vert_{r=0}^{r=R(t)} - \underbrace{\int_0^{R(t)} \beta(r,t) dr}_{=:\alpha(t)} = R(t)\beta(R(t),t) - \alpha(t) = R(t)u(\gamma(t)) -\alpha(t)$
\item $\Psi(s,t) := \int_0^s \beta(r,t)dr$. Mit dem zweiten Hauptsatz aus Analysis 1 folgt: $\Psi_s(s,t) = \beta(s,t)$ \\ 7.3 \folgt $\Psi_t(s,t) = \int_0^s \beta_t(r,t) dr$.\\
Dann: $\alpha(t) = \Psi(R(t),t)$, also
\begin{displaymath}
\alpha'(t) = \Psi_s(R(t),t)\cdot R'(t) + \Psi_t(R(t),t)\cdot 1 = R'(t)\underbrace{\beta(R(t),t)}_{=u(\gamma(t))} + \int_0^{R(t)} \beta_t(r,t) dr
\end{displaymath}
\folgt $\int_0^{R(t)}\beta_t(r,t)dr = \alpha'(t) - R'(t)\cdot u(\gamma(t))$.
\item Aus (1),(2),(3) folgt: \\
\begin{align*}
A &= \int_0^{2\pi} (R(t)\cdot u(\gamma(t))\cdot \cos t - \alpha(t)\cos t - \alpha'(t)\sin t + R'(t)\cdot u(\gamma(t))\sin t) dt\\ &= \int_0^{2\pi}u(\gamma(t))\gamma_2'(t)dt - \int_0^{2\pi} (\alpha(t)\sin t)' dt\\ &= \int_0^{2\pi} u(\gamma(t))\gamma_2'(t)dt - \underbrace{[\alpha(t)\sin t]_0^{2\pi}}_{=0}\\ &= \int_0^{2\pi} u(\gamma(t))\gamma_2'(t) dt
\end{align*}
\end{enumerate}
\end{beweis}

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@ -0,0 +1,56 @@
\begin{definition}
\index{Fläche}
\index{Flächenstück}
\index{Parameterbereich}
\index{Normalenvektor}
\index{Flächeninhalt}
Es sei $\emptyset \ne B\subseteq \MdR^2$ kompakt, $D\subseteq\MdR^2$ offen und $B\subseteq D$. Weiter sei $\varphi = (\varphi_1,\varphi_2,\varphi_3) \in C^1(D,\MdR^3)$ und $\varphi = \varphi(u,v)$. Dann heißt $\varphi_{|B}$ eine \textbf{Fläche} (im $\MdR^3$), $S:= \varphi(B)$ heißt \textbf{Flächenstück} und $B$ heißt \textbf{Parameterbereich} der Fläche. Es ist
\begin{displaymath}
\varphi' = \begin{pmatrix}\frac{\partial \varphi_1}{\partial u} & \frac{\partial\varphi_1}{\partial v}\\
\frac{\partial \varphi_2}{\partial u} & \frac{\partial\varphi_2}{\partial v}\\
\frac{\partial \varphi_3}{\partial u} & \frac{\partial\varphi_3}{\partial v}\\
\end{pmatrix}
\end{displaymath}
Sei $(u_0,v_0)\in B$ und
\begin{align*}
\gamma(t) &:= \varphi(t,v_0) &\gamma'(t) &= \varphi_u(t,v_0) &\gamma'(u_0) &= \varphi_u(u_0,v_0)\\
\tilde{\gamma}(t)&:= \varphi(u_0,t) &\tilde{\gamma}'(t) &= \varphi_v(u_0,v) &\tilde{\gamma}'(v_0) &= \varphi_v(u_0,v_0)
\end{align*}
Definere damit den \textbf{Normalenvektor} in $\varphi(u_0,v_0)$:
\[N(u_0,v_0) := \varphi_u(u_0,v_0)\times\varphi_v(u_0,v_0)\]
Seien $\Delta u,\Delta v >0$ (aber "`klein"'). $a:= \Delta u\varphi_u(u_0,v_0)$, $b:= \Delta v\varphi_v(u_0,v_0)$.
\[P:= \{\lambda a+\mu b: \ \lambda,\mu\in [0,1]\}\]
Aus der Linearen Algebra folgt, der "`Inhalt"' von $P$ ist $\|a \times b\| = \Delta u\Delta v \|N(u_0,v_0)\|$.
\begin{displaymath}
I(\varphi) = \int_B \|N(u,v)\| d(u,v)
\end{displaymath}
heißt deshalb \textbf{Flächeninhalt} von $\varphi$
\end{definition}
\begin{beispiel}
$B:=[0,2\pi]\times[-\frac\pi2,\frac\pi2]$, $D=\MdR^2$\\
$\varphi(u,v) := (\cos u\cos v,\sin u\cos v,\sin v)$. Dann: $\varphi(B) = \{(x,y,z)\in\MdR^3:\ x^2+y^2+z^2 = 1\}$.\\
Nachrechnen: $N(u,v) = \cos v\varphi(u,v)$. Dann: $\|N(u,v)\| = |\cos v|\underbrace{\|\varphi(u,v)\|}_{=1} = \cos v\ \ \ \ ((u,v)\in B)$. \\
Damit gilt:
\[I(\varphi) = \int_B \cos v d(u,v) = \int_0^{2\pi} (\int_{-\frac\pi2}^{\frac\pi2}\cos v d(v)) d(u) = 4\pi\]
\end{beispiel}
\section{Explizite Parameterdarstellung}
Seien \(B\) und \(D\) wie in obiger Definition und \(f\in C^{1}(D,\,\mdr)\). Setze
\[\varphi(u,v):=(u,v,f(u,v))\quad((u,v)\in D)\]
Damit ist \(\varphi_{|B}\) eine Fläche (in expliziter Darstellung).
% hier Graphik einfuegen
Dann ist \(S=\varphi(B)\) gleich dem Graph von \(f_{|B}\).
\[
\varphi_{u}=(1,0,f_{u}),\quad \varphi_{v}=(0,1,f_{v}),\quad N(u,v)=(-f_{u},-f_{v},1)\quad\text{(Nachrechnen!)}
\]
Damit gilt:
\[I(\varphi)=\int_{B}{(f_{u}^{2}+f_{v}^{2}+1)^{\frac{1}{2}}\mathrm{d}(u,v)}\]
\begin{beispiel}
Sei \(D=\mdr^{2},\,B:=\{(u,v)\in\mdr^{2}\mid u^{2}+v^{2}\leq 1\}\) und
\[f(u,v):=u^{2}+v^{2}\]
Dann ist \(\varphi(u,v)=(u,v,u^{2}+v^{2})\), \(f_{u}=2u\) und \(f_{v}=2v\). Also ist \(S=\varphi(B)\) ein Paraboloid.
\[I(\varphi)=\int_{B}{(4u^{2}+4v^{2}+1)^{\frac{1}{2}}\mathrm{d}(u,v)}\overset{\text{PK}}{=}\frac{\pi}{6}\left(\sqrt{5}^{3}-1\right)\quad \text{(Nachrechnen!)}\]
\end{beispiel}

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In diesem Kapitel sei \(\emptyset\neq B\subseteq\mdr^{2}\), \(B\)
kompakt, \(D\subseteq\mdr^{2}\) offen, \(B\subseteq D\)
und \(\varphi=(\varphi_{1},\varphi_{2},\varphi_{3})\in C^{1}(D,\mdr^{3})\). Das heißt: \(\varphi_{|B}\) ist eine Fläche mit
Parameterbereich \(B\), \(S:=\varphi(B)\)
\begin{definition}
\index{Oberflächenintegral}
Definiere die folgenden \textbf{Oberflächenintegrale}:
\begin{enumerate}
\item Sei \(f:\,S\to\mdr\) stetig. Dann:
\[
\int_{\varphi}{f\mathrm{d}\sigma}:=\int_{B}{f(\varphi(u,v))\lVert N(u,v)\rVert\mathrm{d}(u,v)}
\]
\item Sei \(F:\,S\to\mdr^{3}\) stetig. Dann:
\[
\int_{\varphi}{F\cdot n\mathrm{d}\sigma}:=\int_{B}{F(\varphi(u,v))\cdot N(u,v)\mathrm{d}(u,v)}
\]
\end{enumerate}
\end{definition}
\begin{beispiel}
Seien \(D,\,B,\,f,\,\varphi\) wie im letzten Beispiel in Kapitel 14.
Sei \(F(x,y,z):=(x,y,z)\); bekannt: \(N(u,v)=(-2u,-2v,1)\). Dann:
\begin{align*}
F(\varphi(u,v))\cdot N(u,v)&=F(u,v,u^{2}+v^{2})\cdot(-2u,-2v,1)\\
&=(u,v,u^{2}+v^{2})\cdot (-2u,-2v,1)\\
&=-(u^{2}+v^{2})
\end{align*}
Also:
\[
\int_{\varphi}{F\cdot n\mathrm{d}\sigma}=-\int_{B}{(u^{2}+v^{2})\mathrm{d}(u,v)}=-\frac{\pi}{2}
\]
\end{beispiel}
\begin{satz}[Integralsatz von Stokes]
\label{Satz 15.1}
Es sei \(B\) zulässig, \(\partial B=\Gamma_{\gamma}\), wobei \(\gamma=(\gamma_{1},\gamma_{2})\) wie zu Beginn des Kapitels
13 ist. Es sei \(\varphi\in C^{2}(D,\mdr^{3})\). Weiter sei \(G\subseteq\mdr^{3}\) offen, \(S\subseteq G\) und \(F=(F_{1},F_{2},F_{3})\in C^{1}(G,\mdr^{3})\). Dann:
\[
\underbrace{\int_{\varphi}{\rot F\cdot n\mathrm{d}\sigma}}_{\text{Oberflächenint.}}=
\underbrace{\int_{\varphi\circ\gamma}{F(x,y,z)\cdot\mathrm{d}(x,y,z)}}_{\text{Wegint.}}
\]
\end{satz}
\begin{beispiel}
\(D,\,B,\,f,\,F\) und \(\varphi\) seien wie in obigem Beispiel.
% Bild einfuegen
Hier: \(\gamma(t)=(\cos t,\sin t)\quad(t\in [0,2\pi])\).
Dann: \((\varphi\circ\gamma)(t)=\varphi(\cos t, \sin t)=(\cos t, \sin t, 1)\quad(t\in [0,2\pi])\).
Es ist \(\rot F=0\), also: \(\int_{\varphi}{\rot F\cdot n\mathrm{d}\sigma}=0\)
\begin{align*}
\int_{\varphi\circ\gamma}{F(x,y,z)\mathrm{d}(x,y,z)}&=
\int_{0}^{2\pi}{F((\varphi\circ\gamma)(t))\cdot(\varphi\circ\gamma)'(t)\mathrm{d}t}\\
&=\int_{0}^{2\pi}{F(\cos t,\sin t, 1)\cdot (-\sin t,\cos t,0)\mathrm{d}t}\\
&=\int_{0}^{2\pi}{\underbrace{(\cos t,\sin t,1)\cdot (-\sin t,\cos t,0)}_{=0}\mathrm{d}t}\\
&=0
\end{align*}
\end{beispiel}
\begin{beweis}
Sei \(\varphi:=\varphi\circ\gamma,\,\varphi=(\varphi_{1},\varphi_{2},\varphi_{3})\), also
\(\varphi_{j}=\varphi_{j}\circ\gamma\quad(j=1,2,3)\).
Zu zeigen:
\begin{align*}
\int_{\varphi}{\rot F\cdot n\mathrm{d}\sigma}
&=\int_{\varphi}{F(x,y,z)\mathrm{d}(x,y,z)}\\
&=\int_{0}^{2\pi}{F(\varphi(t))\cdot\varphi'(t)\mathrm{d}t}\\
&=\int_{0}^{2\pi}{\left(\sum_{j=1}^{3}{F_{j}(\varphi(t))\varphi_{j}'(t)}\right)\mathrm{d}t}\\
&=\sum_{j=1}^{3}{\int_{0}^{2\pi}{F_{j}(\varphi(t))\varphi_{j}'(t)\mathrm{d}t}}
\end{align*}
Es ist \(\int_{\varphi}{\rot F\cdot n\mathrm{d}\sigma}=\int_{B}{\underbrace{(\rot F)(\varphi(x,y))\cdot(\varphi_{x}(x,y)\times\varphi_{y}(x,y))}_{=:g(x,y)}\mathrm{d}(x,y)}\).
Für \(j=1,2,3\):
\[
h_{j}(x,y):=\left(\underbrace{F_{j}(\varphi(x,y))\frac{\partial\varphi_{j}}{\partial y}(x,y)}_{=:u_{j}(x,y)},\underbrace{-F_{j}(\varphi(x,y))\frac{\partial\varphi_{j}}{\partial x}(x,y)}_{=:v_{j}(x,y)}\right)\quad((x,y)\in D)
\]
\(h_{j}=(u_{j},v_{j});\quad F\in C^{1},\,\varphi\in C^{2}\), damit folgt: \(h_{j}\in C^{1}\)
Nachrechnen: \(g=\mathrm{div} h_{1}+\mathrm{div} h_{2}+\mathrm{div} h_{3}\)
Damit:
\begin{align*}
\int_{B}{\rot F\cdot n\mathrm{d}\sigma}
&=\sum_{j=1}^{3}{\int_{B}{\mathrm{div}\,h_{j}(x,y)\mathrm{d}(x,y)}}\\
&=\sum_{j=1}^{3}{\int_{\gamma}{(u_{j}\mathrm{d}y-v_{j}\mathrm{d}x)}}\\
&=\int_{0}^{2\pi}{F_{j}(\varphi(t))\varphi_{j}'(t)\mathrm{d}t}
\end{align*}
\end{beweis}

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Stets in diesem Kapitel: \(\emptyset\neq X\in\fb_{d}\)
\begin{definition}
Sei \(p\in[1,+\infty]\).
\[
p':=\begin{cases}
\infty&,\,p=1\\
1&,\,p=\infty\\
\frac{p}{p-1}&,\,1<p<\infty
\end{cases}
\]
Dann gilt: \(\frac{1}{p}+\frac{1}{p'}=1\) und \(p=p'\Leftrightarrow p=2\).
\end{definition}
\begin{hilfssatz}
Seien \(x,y\geq 0,\,p\in(1,\infty)\), dann gilt: \(xy\leq\frac{x^{p}}{p}+\frac{y^{p'}}{p'}\)
\end{hilfssatz}
\begin{beweis}
Für \(t>0:\,f(t):=\frac{t}{p}+\frac{1}{p'}-t^{\frac{1}{p}}\)
Übung: \(\min\{f(t)\mid t>0\}=f(1)=0\)
D.h.: \(t^{\frac{1}{p}}\leq\frac{t}{p}+\frac{1}{p'}\quad\forall t>0\)
Seien \(u,v>0,\,t:=\frac{u}{v}\). Dann: \(\frac{u^{\frac{1}{p}}}{v^{\frac{1}{p}}}\leq\frac{u}{vp}+\frac{1}{p'}\). Daraus folgt
\(u^{\frac{1}{p}}v^{1-\frac{1}{p}}\leq\frac{u}{p}+\frac{v}{p'}\implies u^{\frac{1}{p}}v^{\frac{1}{p'}}\leq \frac{u}{p}+\frac{v}{p'}\)
Seien \(x,y>0:\,u:=x^{p},\,v:=y^{p'}\). Dann: \(xy\leq\frac{x^{p}}{p}+\frac{y^{p'}}{p'}\).
Im Falle \(x=0\) oder \(y=\infty\) ist die Ungleichung trivialerweise richtig.
\end{beweis}
\begin{erinnerung}
Sei \(f:\,X\to\mdr\) messbar und \(p>0\), so ist \(\lvert f\rvert^{p}\) messbar (vgl. Kapitel 3).
Es gilt: \(\lvert f\rvert^{p}\in\fl^{1}(X)\Leftrightarrow \int_{X}{\lvert f\rvert^{p}\mathrm{d}x}<\infty\)
\end{erinnerung}
\begin{definition}
\begin{enumerate}
\item Sei \(p\in[1,\infty)\). \(\fl^{p}(X)=\{f:\,X\to\mdr\mid f \text{ ist messbar und }\int_{X}{\lvert f\rvert^{p}\mathrm{d}x<\infty}\}\).
Für \(f\in\fl^{p}(X)\): \(\lVert f\rVert_{p}=\left(\int_{X}{\lvert f\rvert^{p}\mathrm{d}x}\right)^{\frac{1}{p}}\)
\item \(\fl^{\infty}(X)=\{f:\,X\to\mdr\mid f\text{ ist messbar und }f\text{ ist f.ü. beschränkt}\}\)
Für \(f\in\fl^{\infty}(X)\): \(\lVert f\rVert_{\infty}:=\esssup_{x\in X}\lVert f(x)\rVert=\inf\{c>0\mid \exists\text{Nullmenge }N_{c}\subseteq X: \lvert f(x)\rvert\leq c\,\forall x\in X\setminus N_{c}\}\)
\end{enumerate}
\end{definition}
\begin{bemerkung}
Es sei \(f\in\fl^{\infty}(X)\) und stetig. Außerdem habe jede in \(X\) offene, nichtleere Teilmenge positives Maß. Dann ist \(f\) auf \(X\) beschränkt und \(\sup_{x\in X}\lvert f(x)\rvert=\esssup_{x\in X}\lvert f(x)\rvert\).
\end{bemerkung}
\begin{beweis}
Übung (ist \(N\subseteq X\) eine Nullmenge, so ist \(N^{\circ}=\emptyset\) und \(\overline{X\setminus N}=X\))
\end{beweis}
\begin{beispiel}
Sei \(d=1,\,X=[1,\infty),\,p>1\,(p<\infty),\,\alpha,\beta>0,\,f(x)=\frac{1}{x^{\alpha}},\,g(x)=\frac{1}{x^{\beta}}\)
\begin{enumerate}
\item \[f\in\fl^{p}(X)\overset{\text{\ref{Satz 4.14}}}{\iff}\int_{1}^{\infty}{\frac{1}{x^{\alpha p}}}\mathrm{d}x\]
konvergiert genau dann, wenn \(\alpha p>1\Leftrightarrow \alpha>\frac{1}{p}\)
\item
\[fg\in\fl^{1}(X)\overset{\text{\ref{Satz 4.14}}}{\iff}\int_{1}^{\infty}{\frac{1}{x^{\alpha+\beta}}\mathrm{d}x}\]
konvergiert genau dann, wenn $\alpha+\beta >1$
\end{enumerate}
\end{beispiel}
\begin{satz}
\label{Satz 16.1}
Sei \(p\in[1,\infty]\) und \(p'\) wie zu Anfang dieses Kapitels, also \(\frac{1}{p}+\frac{1}{p'}=1\).
\begin{enumerate}
\item Sei \(f\in\fl^{p}(X)\) und \(g\in\fl^{p'}(X)\).
\index{Ungleichung!Hölder}
Dann ist \(fg\in\fl^{1}(X)\) und es gilt die \textbf{Höldersche Ungleichung}:
\[
\lVert fg\rVert_{1}\leq\lVert f\rVert_{p}\cdot\lVert g\rVert_{p'}
\]
\index{Ungleichung!Cauchy-Schwarz}
Ist \(p=2\,(\implies p'=2)\), so heißt obige Ungleichung auch \textbf{Cauchy-Schwarzsche Ungleichung}.
\item \(\fl^{p}(X)\) ist ein reeller Vektorraum und für \(f,g\in\fl^{p}(X)\) gilt die \textbf{Minkowskische Ungleichung}:
\index{Ungleichung!Minkowski}
\[
\lVert f+g\rVert_{p}\leq\lVert f\rVert_{p}+\lVert g\rVert_{p}
\]
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{beweis}
\begin{enumerate}
\item Unterscheide die folgenden Fälle:
\begin{itemize}
\item[Fall 1:] \(p=1\) (also \(p'=\infty\)) oder \(p=\infty\) (also \(p'=1\)). Etwa \(p=1,\,p'=\infty\).
Sei \(c>0\) und \(N_{c}\subseteq X\) Nullmenge mit: \(\lvert g(x)\rvert\leq c\,\forall x\in X\setminus N_{c}\).
\(\tilde{g}:=\mathds{1}_{X\setminus N_{c}}\cdot g\)
Dann: \(g=\tilde{g}\) fast überall und \(\lvert\tilde{g}\rvert\leq c\) auf \(X\). Weiter: \(fg=f\tilde{g}\) fast überall,
bzw. \(\lvert fg\rvert=\lvert f\tilde{g}\rvert\) fast überall.
Dann:
\[
\int_{X}{\lvert fg\rvert\mathrm{d}x}=\int_{X}{\lvert f\tilde{g}\rvert\mathrm{d}x}=\int_{X}{\lvert f\rvert\underbrace{\lvert\tilde{g}\rvert}_{\leq c}\mathrm{d}x}\leq\int_{X}{\lvert f\rvert\mathrm{d}x}=c\cdot\lVert f\rVert_{1}<\infty
\]
Also: \(fg\in\fl^{1}(X)\) und \(\lVert fg\rVert_{1}\leq c\lVert f\rVert_{1}\). Übergang zum Infimum über alle \(c>0\)
liefert: \(\lVert fg\rVert_{1}\leq\lVert g\rVert_{\infty}\cdot\lVert f\rVert_{1}\)
\item[Fall 2:] Sei \(1<p<\infty\). Ist \(\lVert f\rVert_{p}=0\) oder \(\lVert g\rVert_{p'}=0\), so ist \(f=0\) fast überall
oder \(g=0\) fast überall. Daraus folgt: \(\lvert fg\rvert=0\) fast überall.
Mit \ref{Satz 5.2} folgt: \(\int_{X}{\lvert fg\rvert\mathrm{d}x}=0\). Daraus folgen die Behauptungen.
Sei \(\lVert f\rVert_{p}>0\) und \(\lVert g\rVert_{p'}>0\).
Aus obigem Hilfssatz:
\[
\frac{\lvert f(x)\rvert}{\lVert f\rVert_{p}}\cdot\frac{\lvert g(x)\rvert}{\lVert g\rVert_{p'}}\leq\frac{1}{p}\frac{\lvert f(x)\rvert^{p}}{\lVert f\rVert_{p}^{p}}+\frac{1}{p'}\frac{\lvert g(x)\rvert^{p'}}{\lVert g\rVert_{p'}^{p'}}\quad\forall x\in X
\]
Integration liefert:
\begin{align*}
\frac{1}{\lVert f\rVert_{p}\cdot\lVert g\rVert_{p'}}\int_{X}{\lvert f(x)g(x)\rvert\mathrm{d}x}
&\leq\frac{1}{p}\cdot\frac{1}{\lVert f\rVert_{p}^{p}}\int_{X}{\lvert f\rvert^{p}\mathrm{d}x}+
\frac{1}{p'}\cdot\frac{1}{\lVert g\rVert_{p'}^{p'}}\int_{X}{\lvert g\rvert^{p'}\mathrm{d}x}\\
&=\frac{1}{p}+\frac{1}{p'}\\
&=1<\infty
\end{align*}
Daraus folgt: \(fg\in\fl^{1}(X)\) und
\[
\frac{\lVert fg\rVert_{1}}{\lVert f\rVert_{p}\cdot\lVert g\rVert_{p}}\leq 1\Leftrightarrow \lVert fg\rVert_{1}\leq\lVert f\rVert_{p}\cdot\lVert g\rVert_{p}
\]
\end{itemize}
\item Klar: Ist \(f\in\fl^{p}(X)\) und \(\alpha\in\mdr\), so ist \(\alpha f\in\fl^{p}(X)\)
\begin{itemize}
\item[Fall 1:] \(p=1\): Mit \ref{Satz 4.11} folgt: \(\fl^{1}(X)\) ist ein reeller Vektorraum.
Seien \(f,g\in\fl^{1}(X)\). Dann: \(\lvert f+g\rvert\leq\lvert f\rvert+\lvert g\rvert\) auf \(X\). Damit:
\[
\int_{X}{\lvert f+g\rvert\mathrm{d}x}\leq\int_{X}{\lvert f\rvert\mathrm{d}x}+\int_{X}{\lvert g\rvert\mathrm{d}x}
\]
\item[Fall 2:] \(p=\infty\): Seien \(f,\,g\in\fl^{\infty}(X)\). Seien \(c_{1},\,c_{2}>0\) und \(N_{1},\,N_{2}\subseteq X\)
Nullmengen und \(\lvert f(x)\rvert\leq c_{1}\forall x\in X\setminus N_{1},\,\lvert g(x)\rvert\leq c_{2}\forall x\in X\setminus N_{2}\).
\(N=N_{1}\cup N_{2}\) ist eine Nullmenge. Dann: \(\lvert f(x)+g(x)\rvert\leq\lvert f(x)\rvert+\lvert g(x)\rvert\leq c_{1}+c_{2}
\forall x\in X\setminus N\). Es folgt: \(f+g\in\fl^{\infty}(X)\) und \(\lVert f+g\rVert_{\infty}\leq c_{1}+c_{2}\).
Übergang zum Infimum über alle solche \(c_{1}\), bzw. \(c_{2}\), liefert: \(\lVert f+g\rVert_{\infty}\leq\lVert f\rVert_{\infty}+\lVert g\rVert_{\infty}\).
\item[Fall 3:] Sei \(1<p<\infty\) und \(f,\,g\in\fl^{p}(X)\). Es ist \(\lvert f+g\rvert^{p}\leq(\lvert f\rvert+\lvert g\rvert)^{p}\leq\left(2\max\{\lvert f\rvert,\,\lvert g\rvert\}\right)^{p}\leq 2^{p}\left(\lvert f\rvert^{p}+\lvert g\rvert^{p}\right)\)
auf \(X\). Mit \ref{Satz 4.9} folgt: \(\lvert f+g\rvert^{p}\in\fl^{1}(X)\implies f+g\in\fl^{p}(X)\)\\
\(p'=\frac{p}{p-1};\,h:=\lvert f+g\rvert^{p-1}\), dann: \(h^{p'}=\left(\lvert f+g\rvert^{p-1}\right)^{\frac{p}{p-1}}=\lvert f+g\rvert^{p}\in\fl^{1}(X)\). Dann ist \(h\in\fl^{p'}(X)\). Also: \(h\in\fl^{p'}(X),\,f\in\fl^{p}(X)\)
(und \(\frac{1}{p}+\frac{1}{p'}=1\)).
Mit der Hölderschen Ungleichung folgt:
\(\lVert f\cdot f_{1}\rVert\leq\lVert f\rVert_{p}\lVert h\rVert_{p'}\implies\int_{X}{h\lvert f\rvert\mathrm{d}x}\leq\lVert f\rVert_{p}\left(\int_{X}{h^{p'}\mathrm{d}x}\right)^{\frac{1}{p'}}\). Dann:
\begin{align*}
\int_{X}{\lvert f\rvert\lvert f+g\rvert^{p-1}\mathrm{d}x}
&\leq\lVert f\rVert_{p}\left(\int_{X}{\left(\lvert f+g\rvert^{p-1}\right)^{p'}\mathrm{d}x}\right)^{\frac{1}{p'}}\\
&=\lVert f\rVert_{p}\left(\lVert f+g\rVert_{p}^{p}\right)^{\frac{1}{p'}}\\
&=\lVert f\rVert_{p}\lVert f+g\rVert_{p}^{p-1}
\end{align*}
Genauso: \(\int_{X}{\lvert g\rvert\lvert f+g\rvert^{p-1}\mathrm{d}x}\leq\lVert g\rVert_{p}\lVert f+g\rVert_{p}^{p+1}\)
Dann:
\begin{align*}
\lVert f+g\rVert_{p}^{p}&=\int_{X}{\lvert f+g\rvert^{p}\mathrm{d}x}\\
&=\int_{X}{\lvert f+g\rvert\lvert f+g\rvert^{p-1}\mathrm{d}x}\\
&=\int_{X}{\lvert f\rvert\lvert f+g\rvert^{p-1}\mathrm{d}x}+\int_{X}{\lvert g\rvert\lvert f+g\rvert^{p-1}\mathrm{d}x}\\
&\leq\left(\lVert f\rVert_{p}+\lVert g\rVert_{p}\right)\lVert f+g\rVert_{p}^{p-1}
\end{align*}
Teilen durch \(\lVert f+g\rVert_{p}^{p-1}\) liefert die Minkowski-Ungleichung.
\end{itemize}
\end{enumerate}
\end{beweis}
\begin{satz}
\label{Satz 16.2}
Sei $\lambda_d(X)<\infty$, $p,q\ge 1$ und $p\leq q \leq \infty$. Dann ist $\fl^q(X)\subseteq\fl^p(X)$ und es gilt:
\[\forall f\in\fl^q(X): \|f\|_p\le\lambda_d(X)^{\frac1p-\frac1q}\|f\|_q\]
\end{satz}
\begin{beweis}
Sei $f\in\fl^q(X)$.\\
\textbf{Fall $p=q$:} Klar.\\
\textbf{Fall $q=\infty$:} Leichte Übung!\\
\textbf{Fall $p<q<\infty$:}\\
Sei $r:=\frac qp>1$, dann ist $\frac 1{r'}=1-\frac pq$. Aus $|f|^{pr}=|f|^q\in\fl^1(X)$ folgt $|f|^p\in\fl^r(X)$. Definiere $g:=\mathds{1}_X$, dann ist $g\in\fl^{r'}(X)$, da $\lambda_d(X)<\infty$. Wegen \ref{Satz 16.1} gilt dann:
\[g\cdot|f|^p\in\fl^1(X)\implies |f|^p\in\fl^1(X)\implies f\in\fl^p(X)\]
Aus der Hölderschen Ungleichung folgt:
\begin{align*}
\|f\|^p_p&=\|g\cdot |f|^p\|_1\\
&\le \|g\|_{r'}\cdot\||f|^p\|_r\\
&= (\int_X g^{r'}\text{ d}x)^{\frac 1{r'}}\cdot(\int_X |f|^{pr}\text{ d}x)^{\frac 1r}\\
&= \lambda_d(X)^{\frac1{r'}}\cdot(\int_X |f|^{q}\text{ d}x)^{\frac pq}\\
&= \lambda_d(X)^{1-\frac pq}\cdot\|f\|^p_q
\end{align*}
Also gilt:
\[\|f\|_p\le\lambda_d(X)^{\frac1p-\frac1q}\|f\|_q\]
\end{beweis}
\begin {beispiel}
\begin{enumerate}
\item Sei $X:=(0,1]$, $1\le p<q<\infty$ (also $\frac 1q<\frac1p$) und $f(x):=\frac 1{x^\alpha}$ $(\alpha>0)$. Dann gilt nach
\ref{Satz 4.14} und Analysis I:
\begin{align*}
f\in\fl^p(X)&\iff\int_0^1\frac1{x^{\alpha p}}\text{ d}x \text{ konvergiert}\\
&\iff\alpha p<1\\
&\iff \alpha<\frac 1p
\end{align*}
Sei $\frac 1q<\alpha<\frac 1p$, dann ist $f\in\fl^p(X)$ und $f\not\in\fl^q(X)$. D.h. $\fl^p(X)\not\subseteq\fl^q(X)$ und aus \ref{Satz 16.2} folgt $\fl^q(X)\subseteq\fl^p(X)$.
\item Sei $X:=[1,\infty)$, $p=1$, $q\in(1,\infty)$ und $f(x):=\frac 1x$. Dann gilt nach \ref{Satz 4.14} und Analysis I: $f\not\in\fl^p(X)$ und $f\in\fl^q(X)$. D.h. also $\fl^q(X)\not\subseteq\fl^p(X)$.\\
Definiere $g(x):=\mathds{1}_{[1,2)}\cdot (2-x)^{-\frac 1q}$. Übung: $g\in\fl^p(X)$ und $g\not\in\fl^q(X)$. D.h. also $\fl^p(X)\not\subseteq\fl^q(X)$.
\end{enumerate}
\end{beispiel}
\begin{satz}[Satz von Lebesgue ($\fl^p$-Version)]
\label{Satz 16.3}
Sei $1\le p<\infty$, $f:X\to\mdr$ sei messbar, $g:X\to[0,\infty]$ integrierbar und $(f_n)$ eine Folge in $\fl^p(X)$ mit den Eigenschaften:
\begin{enumerate}
\item $f_n\to f$ f.ü. auf $X$
\item $\forall n\in\mdn: |f_n|^p\le g$ f.ü. auf $X$.
\end{enumerate}
Dann ist $f\in\fl^p(X)$ und es gilt
\[\|f_n-f\|_p\stackrel{n\to\infty}\to 0\]
\end{satz}
\begin{beweis}
Aus (i) und (ii) folgt: $|f|^p \leq g$ f.ü.
Im Kapitel 5 haben wir gesehen, dass dann gilt:
\[ \int_X |f|^p \text{ d}x \leq \int_X g \text{ d}x < \infty \]
(denn $g$ ist nach Voraussetzung integrierbar).
Daraus folgt: $f \in \fl^p(X)$.
Setze $g_n := |f_n - f|^p$. Aus (i): $g_n \to 0$ f.ü. Es sind $f_n, f \in \fl^p(X)$ (ersteres nach Voraussetzung, zweiteres haben wir gerade gezeigt), und weil $\fl^p(X)$ ein reeller Vektorraum ist (\ref{Satz 16.1}(2)), folgt:
\[ f_n - f \in \fl^p(X) \]
Also $g_n \in \fl^1(X)$.
Es ist
\[ 0 \leq g_n \leq \left( |f_n| + |f| \right)^p \leq \left( g^{\frac{1}{p}} + g^{\frac{1}{p}} \right)^p = \left( 2g^{\frac{1}{p}} \right)^p = 2^p g \quad\text{f.ü.} \]
Mit \ref{Satz 6.2} folgt schließlich:
\[ \underbrace{\int_X g_n \text{ d}x}_{=\|f_n - f\|_p^p} \to 0. \]
\end{beweis}
Aus \ref{Satz 16.1} folgt: $\fl^p(X)$ ist ein reeller Vektorraum (VR), wobei für $f,g\in\fl^p(X)$ gilt:
\[\|\alpha f\|_p=|\alpha|\cdot \|f\|_p\quad (\alpha\in\mdr)\]
\[\|f+g\|_p\le\|f\|_p+\|g\|_p\]
Aber $\|\cdot\|_p$ ist \textbf{keine} Norm auf $\fl^p(X)$! Denn aus $\|f\|_p=0$ folgt nur $f=0$ f.ü.
\begin{definition}
Es sei $\cn:=\{f:X\to\mdr\mid f\text{ ist messbar und } f=0 \text{ f.ü.}\}$, dann ist $\cn$ ein Untervektorraum von $\fl^p(X)$. Definiere
\[L^p(X):=\fl^p(X)\diagup\cn=\{\hat f=f+\cn\mid f\in\fl^p(X)\}\]
Aus der Linearen Algebra ist bekannt, dass $L^p(X)$ durch die Skalarmultiplikation
\[\alpha\cdot\hat f := \widehat{\alpha f}\]
und die Addition
\[\hat f+\hat g:=\widehat{f+g}\]
zu einem Vektorraum über $\mdr$ wird.
\end{definition}
Setze für $\hat f \in L^1(X)$:
\[\int_X \hat f(x) \text{ d}x := \int_X f(x) \text{ d}x\]
dabei ist diese Definition unabhängig von der Wahl des Repräsentanten $f \in \fl^1(X)$ von $\hat f$, denn: ist auch noch $g \in \fl^1(X)$ und $\hat g = \hat f$, so ist $f - g \in \cn$, also $f-g = 0$ f.ü. und damit: $\int_X f \text{ d}x = \int_X g \text{ d}x$.
Für $\hat f \in L^p(X)$ definiere
\[\| \hat f \|_p := \| f \|_p\]
wobei diese Definition unabhängig ist von der Wahl des Repräsentanten $f \in \fl^p(X)$ von $\hat f$.
Für $\hat f, \hat g \in L^2(X)$ setze
\[( \hat f | \hat g ) := \int_X f(x)g(x) \text{ d}x\]
(auch diese Definition ist Repräsentanten-unabhängig) (Beachte: $f\cdot g \in \fl^1(X)$ )
\textbf{Dann gilt:}
\index{Ungleichung!Cauchy-Schwarz}
\begin{enumerate} \item $L^p(X)$ ist unter $\| \cdot \|_p$ ein normierter Raum (NR).
\item Für $\hat f, \hat g \in L^2(X)$ gilt:
\[ | ( \hat f | \hat g ) | = | \int_X f(x)g(x) \text{ d}x | \leq \int_X |fg| \text{ d}x = \| fg \|_1 \overset{\ref{Satz 16.1}}{\leq} \| f \|_2 \| g \|_2 = \| \hat f \|_2 \| \hat g \|_2 \]
\textbf{(Cauchy-Schwarzsche Ungleichung)}
\end{enumerate}
\textbf{Nachrechnen:} $( \hat f | \hat g )$ definiert ein Skalarprodukt auf $L^2(X)$. Es gilt:
\[ ( \hat f | \hat f) = \int_X f(x)^2 \text{ d}x = \| \hat f \|_2^2 \]
\textbf{Also:} $\| \hat f \|_2 = \sqrt{( \hat f | \hat f )}$
\begin{definition}
\index{Prähilbertraum}
\index{Hilbertraum}
Sei $(B, \| \cdot \|)$ ein normierter Raum. Gilt mit einem Skalarprodukt $( \cdot | \cdot )$ auf $B$:
\begin{align*}
\tag{$*$} \| v \| = \sqrt{(v | v)} \quad \forall v \in B
\end{align*}
so heißt $B$ ein \textbf{Prähilbertraum}. Ist $B$ ein Banachraum mit $(*)$, so heißt $B$ ein \textbf{Hilbertraum}.
\end{definition}
\textbf{Vereinbarung:} ab jetzt sei stets in diesem Kapitel $1 \leq p < \infty$.
\begin{bemerkung}
\index{Chauchyfolge}
Seien \(f,f_n\in\fl^p(X)\)
\begin{enumerate}
\item \(\| f_n-f\|_p = \| \hat{f_n}-\hat f\|_p\to 0\) genau
dann, wenn \((\hat{f_n})\) eine konvergente Folge im normierten Raum \(L^p(X)\)
mit dem Grenzwert \(\hat f\) ist.
\item \((\hat f_n)\) ist eine \textbf{Cauchyfolge} (CF) in \(L^p(X)\) genau dann, wenn für jedes $\ep>0$ ein $n_0\in\mdn$ exitiert mit:
\begin{align*}
\tag{$*$} \| \hat f_n-\hat f_m\|_p =\| f_n-f_m\|_p<\ep\quad\forall n,m\geq n_0
\end{align*}
\item Wie in Analysis II zeigt man: gilt \(\| f_n-f\|_p=
\| \hat f_n-\hat f\|_p\to 0\), so ist \((\hat f_n)\) eine Cauchyfolge
in \(L^p(X)\).
\end{enumerate}
\end{bemerkung}
\begin{satz}[Satz von Riesz-Fischer]
\label{Satz 16.4}
\((\hat f_n)\) sei eine Cauchyfolge in \(L^p(X)\), das heißt es gilt \((\ast)\) aus obiger Bemerkung (2).
Dann existiert ein \(f\in\fl^p(X)\) und eine Teilfolge \((f_{n_j})\) von \((f_n)\) mit:
\begin{enumerate}
\item \(f_{n_j}\to f\) fast überall auf \(X\).
\item \(\| f_n-f\|_p\to 0 \ \ (n\to\infty)\).
\end{enumerate}
Das heißt \(L^p(X)\) ist ein Banachraum (\(L^2(X)\) ist ein Hilbertraum).
\end{satz}
\begin{bemerkung}
Voraussetzungen und Bezeichnungen seien wie in \ref{Satz 16.4}. Im Allgmeinen wird \textbf{nicht}
gelten, dass fast überall \(f_n\to f\) ist.
\end{bemerkung}
\begin{beispiel}
Sei \(X=[0,1]\) und \((I_n)\) sei die folgende Folge von Intervallen:
\[I_1=\left[0,1\right], I_2=\left[0,\frac12\right], I_3=\left[\frac12,1\right], I_4=\left[0,\frac14\right],
I_5=\left[\frac14,\frac12\right], I_6=\left[\frac12, \frac34\right], I_7=\left[\frac34,1\right], \dots\]
Es sei \(f_n:=\mathds{1}_{I_n}\), sodass \(\int_X f_n\,dx=\int_{I_n}1\,dx=\lambda_1(I_n)\to 0\).
Also \(\hat f_n\in L^1(X)\) und \(\| \hat f_n-\hat 0\|_1\to 0\).
Ist \(x\in X\), so gilt: \(x\in I_n\) für unendlich viele \natn. Daraus folgt, dass eine Teilfolge
\(I_{n_j}\) mit \(x\in I_{n_j}\) für jedes \(j\in\mdn\) existiert. Somit ist \(f_{n_j}(x)=1\) für jedes \(j\in\mdn\)
und deshalb gilt fast überall \(f_n\nrightarrow 0\).
\end{beispiel}
\begin{beweis}[von \ref{Satz 16.4}]
Setze \(\ep_j:=\frac1{2^j}\ (j\in\mdn)\).
Zu \(\ep_1\) existiert ein \(n_1\in\mdn\) mit \(\| f_l-f_{n_1}\|_p<\ep_1\)
für alle \(l\geq n_1\).
Zu \(\ep_2\) existiert ein \(n_2\in\mdn\) mit \(n_2>n_2\) und
\(\| f_l-f_{n_2}\|_p<\ep_2\) für alle \(l\geq n_2\).
Etc.\\
Wir erhalten eine Teilfolge \((f_{n_j})\) mit
\[(+)\ \ \ \| f_l-f_{n_j}\|_p<\ep_j \text{ für alle } l\geq n_j \text{ mit } j\in\mdn\]
Setze \(g_j:=f_{n_{j+1}}-f_{n_j}\ (j\in\mdn)\). Klar: \(g_l\in\fl^p(X)\).
Für \(N\in\mdn\): \[S_N:=\int_X\left(\sum^N_{j=1}\lvert g_j(x)\rvert^p\right)^{\frac1p}\]
Dann:
\begin{align*}
S_N=\left\lvert\left\lvert\sum^N_{j=1}\lvert g_j\rvert\right\rvert\right\rvert_p
\leq \sum^N_{j=1}\| g_j\|_p
\overset{\text{(+)}}\leq \sum^N_{j=1}\ep_j
=\sum^N_{j=1}\frac1{2^j}
\leq 1
\end{align*}
Setze \[g(x):=\sum^\infty_{j=1}\lvert g_j(x)\rvert \text{ für } x\in X\]
Es ist \(g\geq0\) und messbar. Weiter gilt:
\begin{align*}
0\leq \int_X g^p\,dx
=\int_X\lim_{N\to\infty}\left(\sum^N_{j=1}\lvert g_j\rvert\right)^p\,dx
\overset{\ref{Satz 6.2}}\leq \liminf_{N\to\infty}S_N^p
\leq 1
\end{align*}
Somit ist \(g^p\) ist integrierbar. Aus \ref{Satz 5.2} folgt, dass eine Nullmenge \(N_1\subseteq X\)
existiert mit \(0\leq g^p(x)<\infty\) für alle \(x\in X\setminus N_1\). Es ist dann auch
\(0\leq g(x)<\infty\) für alle \(x\in X\setminus N_1\) und somit folgt nach Konstruktion von $g$, dass
\(\sum^\infty_{j=1}g_j\,dx\) konvergiert absolut in jedem \(x\in X\setminus N_1\).
Aus Analysis I folgt, dass damit \(\sum^\infty_{j=1}g_j\,dx\) in jedem
\(x\in X\setminus N_1\) konvergiert.
Für \(m\in\mdn\):
\[\sum^{m-1}_{j=1}g_j=f_{n_m}-f_{n_1} \implies f_{n_m}=\sum^{m-1}_{j=1}g_j + f_{n_1} \]
Deshalb ist \((f_{n_m})\) konvergent (in \mdr) für alle \(x\in X\setminus N_1\).
\begin{align*}
f(x):=
\begin{cases}
\lim_{m\to\infty}f_{n_m}(x) &, x\in X\setminus N_1 \\
0 &, x\in N_1
\end{cases}
\end{align*}
Aus \S 3 ist bekannt, dass $f$ messbar ist. Klar: \(f_{n_m}\to f\) fast überall und
\(f(X)\subseteq\mdr\).
Es ist \(f_{n_m}=\sum^{m-1}_{j=1}g_j + f_{n_1}\) und somit
\[\lvert f_{n_m}\rvert = \lvert f_{n_1}\rvert + \sum^{m-1}_{j=1}g_j \leq \lvert f_{n_1}\rvert +
\lvert g\rvert\]
Wie im Beweis von Satz \ref{Satz 16.1} folgern wir
\[\lvert f_{n_m}\rvert^p\leq 2^p\left(\lvert f_{n_1}\rvert^p+g^p\right)=:\tilde g \]
\(f_{n_1}\in\fl^p(X)\), \(g^p\) ist integrierbar. Aus \ref{Satz 16.3} folgt, dass \(f\in\fl^p(X)\)
und \[\| f_{n_m}-f\|_p\to 0 \ (m\to\infty)\]
Sei nun \(\ep>0\). Wähle \(m\in M\) so, dass \(\frac1{2^m}<\frac\ep2\) und
\(\| f-f_{n_m}\|_p<\frac\ep2\).
Für \(l\geq n_m\) gilt:
\[\| f_l-f\|_p= \| f_l-f_{n_m}+f_{n_m}-f\|_p
\leq \| f_l-f_{n_m}\|_p + \| f_{n_m}-f\|_p
\overset{\text{(+)}}< \frac1{2^m}+\frac\ep2 <\ep\]
Das heißt
\[\| f_l-f\|_p\to0 \ (l\to\infty)\]
\end{beweis}
\begin{satz}
\label{Satz 16.5}
Sei auch noch \(1\leq q<\infty\). \((f_n)\) sei eine Folge in \(\fl^p(X)\cap\fl^q(X)\). Es sei
\begin{align*}
f\in\fl^p(X) & \text{ und } g\in\fl^q(X)
\intertext{Weiter gelte: }
\| f_n-f\|_p\to 0 & \text{ und } \| f_n-g\|_q\to 0 \ (n\to\infty)
\end{align*}
Dann ist fast überall \(f=g\).
\end{satz}
\begin{beweis}
\begin{enumerate}
\item[\textbf{1.}]
Aus Bemerkung (3) vor \ref{Satz 16.4} folgt, dass \((\hat f_n)\) ist eine Cachyfolge in
\(L^p(X)\). Wegen \ref{Satz 16.4} existiert dann ein \(\varphi\in\fl^p(X)\) und eine Teilfolge
\((f_{n_j})\) mit: \(f_{n_j}\to\varphi\) fast überall und
\(\| f_n-\varphi\|_p\to0\)
\begin{align*}
\| f-\varphi\|_p
= \| f-f_n+f_n-\varphi\|_p
\leq \| f-f_n\|_p + \| f_n-\varphi\|_p
\to 0\ \ (n\to\infty)
\end{align*}
Somit ist \(\| f-\varphi\|_p=0\) und deshalb fast überall \(f=\varphi\).
Also gilt fast überall \(f_{n_j}\to f\). Das heißt, dass es eine Nullmenge \(N_1\subseteq X\) gibt,
für die gilt: \[f_{n_j}(x)\to f(x) \text{ für alle } x\in X\setminus N_1\]
\item[\textbf{2.}]
Setze \(g_j:=f_{n_j}\), dann gilt \(\| g_j-g\|_q\to0\ \ (j\to\infty)\). Wie
im ersten Schritt zeigt man, dass eine Nullmenge \(N_2\subseteq X\) und eine Teilmenge
\((g_{j_k})\) existiert mit, für die gilt:
\[g_{j_k}(x)\to g(x) \text{ für alle } x\in X\setminus N_2\]
\end{enumerate}
Wir wissen, dass \(N:=N_1\cup N_2\) eine Nullmenge ist. Sei nun \(x\in X\setminus N\). Dann
folgt aus dem ersten Schritt \(f_{n_j}(x)\to f(x)\) und daraus
\[ \underbrace{f_{n_{j_k}}(x)}_{=g_{n_{j_k}}(x)}\to f(x) \]
Aus dem Zweiten Schritt folgt dann, dass \(f_{n_{j_k}}(x)\to g(x)\) und somit \(f(x)=g(x)\).
\end{beweis}
\begin{bemerkung}
Seien \(f_n,f\in\fl^p(X)\) und es gelte \(\| f_n-f\|_p\to 0\ \ (n\to\infty)\). Der
Beweis von \ref{Satz 16.5} zeigt, dass eine Teilfolge \((f_{n_j})\) von \((f_n)\) existiert mit
\(f_{n_j}\to f\) fast überall.
\end{bemerkung}
\begin{bemerkung}
Konvergenz im Sinne der Norm \(\|\cdot\|_p\) und punktweise Konvergenz fast
überall haben im Allgemeinen \textbf{nichts} miteinander zu tun!
\end{bemerkung}
\begin{beispiel}
Sei \((f_n)\) wie im Beispiel vor \ref{Satz 16.4}. Also \(\| f_n-0\|_p\to 0\), aber
\(f_n\nrightarrow 0\) fast überall.
\end{beispiel}
\begin{beispiel}
%Bild einfügen
Sei \(X=[0,1]\) und \(f_n\) sei wie im Bild. \(f_n\) ist stetig, also messbar.
\[\int_X f_n\,dx=1 \text{ für alle } \natn\]
Somit ist \(f_n\in\fl^1(X)\).
\[f_n(x)\to
\begin{cases}
0, x\in(0,1]\\
1, x=0
\end{cases}\]
Damit gilt fast überall \(f_n\to0\), aber
\(\| f_n-0\|_1=1\nrightarrow0 \ \ (n\to\infty)\)
\end{beispiel}
\begin{definition}
\index{Reihe ! unendliche}
\index{stetig}
Seien \((E,\|\cdot\|_1), (F,\|\cdot\|_2)\) normierte Räume.
\begin{enumerate}
\item Sei \((x_n)\) eine Folge in $E$ und \(s_n:=x_1+x_2+\dots+x_n\) (\natn).
Dann heißt \((s_n)\) eine \textbf{unendliche Reihe} und wird mit
\[\sum^\infty_{n=1}x_n\] bezeichnet. \(\sum^\infty_{n=1}x_n\) heißt
\textbf{konvergent} genau dann, wenn \((s_n)\) konvergiert. In diesem Fall ist
\[\sum^\infty_{n=1}x_n:=\lim_{n\to\infty}s_n\]
\item \(\Phi\colon E\to F\) sei eine Abbildung. \(\Phi\) heißt \textbf{stetig} in \(x_0\in E\)
genau dann, wenn für jede konvergente Folge \((x_n)\) in $E$ mit \(x_n\to x_0\)
gilt: \[\Phi(x_n)\to\Phi(x_0)\]
\(\Phi\) heißt auf $E$ stetig genau dann, wenn \(\Phi\) ist in jedem \(x\in E\) stetig.
\item Für $(x,y)\in E\times E$ setze
\[\|(x,y)\|:=\sqrt{\|x\|_1^2+\|y\|_1^2}\]
Dann ist $\|\cdot\|$ eine Norm auf $E\times E$ (nachrechnen!). Weiter gilt, dass $E\times E$ genau dann ein Banachraum ist, wenn $E$ einer ist. Für eine Folge $((x_n,y_n))$ in $E\times E$ und $(x,y)\in E\times E$ gilt
\[(x_n,y_n)\stackrel{\|\cdot\|}\to (x,y) \iff x_n\stackrel{\|\cdot\|}\to x \wedge y_n\stackrel{\|\cdot\|}\to y\]
\end{enumerate}
\end{definition}
\begin{bemerkung}
Ist $(x_n)$ eine konvergente Folge in $E$, so ist $(x_n)$ beschränkt (d.h. $\exists c>0: \|x_n\|_1\le c \forall n\in\mdn$).
(Beweis wie in Ana I)
\end{bemerkung}
\begin{vereinbarung}
Für den Rest dieser Vorlesung schreiben wir (meist) $f$ statt $\hat f$ und identifizieren $\fl^p(X)$ mit $L^p(X)$. Ebenso schreiben wir $\int_X f\text{ d}x$ statt $\int_X \hat f\text{ d}x$ und $(f|g)$ statt $(\hat f|\hat g)$.
\end{vereinbarung}
\begin{wichtigesbeispiel}
\label{Beispiel 16.6}
\begin{enumerate}
\item Die Abbildung $\Phi:L^p(X)\to\mdr$, definiert durch
\[\Phi(f):=\|f\|_p\]
ist stetig auf $L^p(X)$. D.h. für $f_n,f\in L^p(X)$ mit $f_n\stackrel{\|\cdot\|_p}\to f$ gilt $\|f_n\|_p\to\|f\|_p$, also
\[\int_X|f_n|^p\text{ d}x\to\int_X|f|^p\text{ d}x\]
\begin{beweis}
Aus Analysis II §17 folgt:
\[| \|f_n\|_p-\|f\|_p |\le \|f_n-f\|_p\stackrel{n\to\infty}\to 0\]
\end{beweis}
\item Die Abbildung $\Phi:L^1(X)\to\mdr$ definiert durch
\[\Phi(f):=\int_X f\text{ d}x\]
ist stetig auf $L^1(X)$. D.h. aus $f_n,f\in L^1(X)$ und $f_n\stackrel{\|\cdot\|_1}\to f$ folgt
\[\int_X f_n\text{ d}x\to\int_X f \text{ d}x\]
\begin{beweis}
Es gilt:
\begin{align*}
|\int_X f_n \text{ d}x-\int_X f \text{ d}x| &=|\int_X f_n-f \text{ d}x|\\
&\le \int_X |f_n-f| \text{ d}x\\
&= \|f_n-f\|_1\stackrel{n\to\infty}\to 0
\end{align*}
\end{beweis}
\item Die Abbildung $\Phi:L^2(X)\times L^2(X)\to\mdr$ definiert durch
\[\Phi(f,g):=(f|g)\]
ist stetig auf $L^2(X)\times L^2(X)$. D.h. für $f_n,g_n,f,g\in L^2(X)$ mit $f_n\stackrel{\|\cdot\|_2}\to f$ und $g_n\stackrel{\|\cdot\|_2}\to g$ gilt
\[(f_n|g_n)\stackrel{n\to\infty}\to(f|g)\]
\begin{beweis}
Es gilt:
\begin{align*}
|(f_n|g_n)-(f|g)|&=|(f_n|g_n)-(f_n|g)+(f_n|g)-(f|g)|\\
&=|(f_n|g_n-g)+(f_n-f|g)|\\
&\le |(f_n|g_n-g)|+|(f_n-f|g)|\\
&\le \|f_n\|_2\cdot \|g_n-g\|_2 + \|f_n-f\|_2\cdot\|g\|_2\stackrel{n\to\infty}\to 0
\end{align*}
\end{beweis}
\end{enumerate}
\end{wichtigesbeispiel}
\begin{satz}
\label{Satz 16.7}
Sei $f=f_+-f_-\in L^p(X)$ und $(g_n)$ und $(h_n)$ seien zulässige Folgen für $f_+$ bzw. $f_-$ (d.h. $g_n,h_n$ einfach, $0\le g_n\le g_{n+1}, g_n\to f_+$, $0\le h_n\le h_{n+1}, h_n\to f_-$). Setze $f_n:=g_n-h_n$.\\
Dann sind $f_n,g_n,h_n\in L^p(X)$ und es gilt:
\begin{align*}
&\|g_n-f_+\|_p\to 0&&\|h_n-f_-\|_p\to 0&&\|f_n-f\|_p\to 0
\end{align*}
\end{satz}
\begin{beweis}
Es genügt den Fall $f\ge 0$ zu betrachten (also $f=f_+$, $f_-\equiv 0$). Sei also $(f_n)$ zulässig für $f$. Definiere $\varphi:=|f_n-f|^p$. Es ist klar, dass punktweise gilt $\varphi_n\to 0$. Außerdem gilt:
\begin{align*}
0\le\varphi_n&\le (|f_n|+|f|)^p\\
&=|f_n+f|^p\le (2f)^p\\
&=2^pf^p=:g
\end{align*}
Dann ist $g\in L^1(X)$ integrierbar.\\
Aus \ref{Satz 4.9} folgt:
\begin{align*}
\varphi\in L^1(X)&\implies f_n-f\in L^p(X)\\
&\implies f_n=(f_n-f)+f\in L^p(X)
\end{align*}
Aus \ref{Satz 6.2} folgt:
\[\int_X\varphi_n\text{ d}x\to 0 \implies \|f_n-f\|_p^p\to 0\]
\end{beweis}
\begin{definition}
\index{Träger}
\begin{enumerate}
\item Sei $f:X\to\mdr$. Dann heißt
\[\supp (f):=\overline{\{x\in X\mid f(x)\ne 0\}}\]
der \textbf{Träger} von $f$
\item $C_c(X,\mdr):=\{f\in C(X,\mdr)\mid \supp(f)\subseteq X\text{ und } \supp(f) \text{ kompakt}\}$
\end{enumerate}
\end{definition}
\begin{satz}
\index{dicht}
\label{Satz 16.8}
\begin{enumerate}
\item $C_c(X,\mdr)\subseteq L^p(X)$
\item Ist $X$ offen, so liegt $C_c(X,\mdr)$ \textbf{dicht} in $L^p(X)$, d.h. ist $f\in L^p(X)$ und $\ep>0$, so existiert $g\in C_c(X,\mdr)$ mit $\|f-g\|_p<\ep$.
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{beweis}
\begin{enumerate}
\item Sei $f\in C_c(C,\mdr)$ und $K:=\supp(f)$, dann ist $K\subseteq X$ kompakt, also $K\in\fb_d$. Es gilt für alle $x\in X\setminus K$ $f(x)=0$ und damit folgt aus \ref{Satz 4.12} $\int_K |f|^p\text{ d}x<\infty$. Dann gilt:
\[\int_X |f|^p\text{ d}x=\int_{X\setminus K} |f|^p\text{ d}x+\int_K |f|^p\text{ d}x=\int_K |f|^p\text{ d}x<\infty\]
Also ist $f\in L^p(X)$.
\item Siehe Übungsblatt 13.
\end{enumerate}
\end{beweis}

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In diesem Kapitel sei $\emptyset \ne X \in \fb_d, f: X \to \MdC$ eine Funktion, $ u:= \Re(f), v:= \Im(f)$, also: $u,v: X \to \MdR, f= u+iv$.
Wir versehen $\MdC$ mit der $\sigma$-Algebra $\fb_2$ (wir identifizieren $\MdC$ mit $\mdr^2$).
\begin{definition}
\index{messbar}
$f$ heißt (Borel-)\textbf{messbar}, genau dann wenn gilt: $f$ ist $\fb_d$-$\fb_2$-messbar.
\end{definition}
Aus 3.2 folgt: $f$ ist messbar genau dann, wenn $u$ und $v$ messbar sind.
\begin{definition}
\index{integrierbar}\index{Integral}
Sei $f$ messbar. $f$ heißt \textbf{integrierbar} (ib.) genau dann, wenn $u$ und $v$ integrierbar sind.
In diesem Fall setze
\[ \int_X f \text{ d}x := \int_X u \text{ d}x + i\int_X v \text{ d}x \quad ( \in \MdC) \]
\end{definition}
Es gilt: $|u|, |v| \leq |f| \leq |u| + |v|$ auf $X$.
Hieraus und aus 4.9 folgt: $f$ ist integrierbar genau dann, wenn $|f|$ integrierbar ist.
\begin{definition}
\[ \fl^p(X, \MdC) := \{ f : X \to \MdC | f \text{ ist messbar und } \int_X |f|^p \text{ d}x < \infty \} \]
(Achtung: mit den Betragsstrichen in ob. Integral ist der komplexe Betrag gemeint!)
\[ \cn := \{ f: X \to \MdC | f \text{ ist messbar und } f = 0 \text{ f.ü.} \} \]
$\fl^p(X,\MdC )$ ist ein komplexer Vektorraum (siehe 17.1) und $\cn$ ist ein Untervektorraum von $\fl^p(X,\MdC )$.
\[ L^p(X,\MdC ) := \fl^p(X,\MdC)\diagup\cn \]
\end{definition}
\begin{definition}
\index{orthogonal}
Für $f,g \in L^2(X,\MdC )$ setze
\[(f | g) := \int_X f(x) \overline{g(x)} \text{ d}x\]
sowie
\[f \bot g :\Longleftrightarrow (f | g) = 0 \quad \text{ ($f$ und $g$ sind \textbf{orthogonal}).} \]
( $\overline{z}$ bezeichne hierbei die komplex Konjugierte von $z$, vgl. Lineare Algebra).
\end{definition}
\textbf{Klar:} \begin{enumerate}
\item $L^p(X,\MdC )$ ist mit $\| f \|_p := (\int_X |f|^p \text{ d}x )^{\frac{1}{p}}$ ein komplexer normierter Raum (NR).
\item $(f | g)$ definiert ein Skalarprodukt auf $L^2(X,\MdC)$. Es ist
\[(f | g) = \overline{(g | f)}, \]
\[ (f | f) = \int_X f(x) \overline{f(x)} \text{ d}x = \int_X |f(x)|^2 \text{ d}x = \| f \|_2^2 \text{, also:} \]
\[ \| f\|_2 = \sqrt{(f|f)} \quad (f,g \in L^2(X,\MdC )) \]
(Beachte: es ist $z \cdot \overline{z} = |z|^2$ für $z \in \MdC$).
\end{enumerate}
\textbf{Inoffizielle Anmerkung:} Dieses Skalarprodukt ist auf $\MdC$ nur linear in der ersten Komponente! Wenn man einen $\MdC$-Skalar aus der zweiten Komponente rausziehen möchte, muss man diesen komplex konjugieren:
\begin{align*}
\alpha \in \MdC:\quad &(f|\alpha g) = \overline{\alpha} (f|g)\\
&(\alpha f|g) = \alpha (f | g)
\end{align*}
\begin{satz}
\label{Satz 17.1}
\begin{enumerate}
\item Seien \(f,g\colon X\to\mdc\) integrierbar und \(\alpha,\beta\in\mdc\). Dann gelten:
\begin{enumerate}
\item[(i)] \(\alpha f+\beta g\) ist integrierbar und
\[\int_X(\alpha f+\beta g)\,dx = \alpha\int_Xf\,dx+\beta\int_Xg\,dx\]
\item[(ii)] \(\text{Re}\left(\int_Xf\,dx\right) = \int_X\text{Re}(f)\,dx\ \) und
\(\ \text{Im}\left(\int_Xf\,dx\right) = \int_X\text{Im}(f)\,dx\)
\item[(iii)] \(\overline f\) ist integrierbar und
\[\int_X\overline f\,dx=\overline{\int_Xf\,dx}\]
\end{enumerate}
\item Die Sätze \ref{Satz 16.1} bis \ref{Satz 16.3} und das Beispiel \ref{Beispiel 16.6} gelten in
\(L^p(X,\mdc)\).
\item \(L^p(X,\mdc)\) ist ein komplexer Banachraum, \(L^2(X,\mdc)\) ist ein komplexer
Hilbertraum.
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{wichtigesbeispiel}
\label{Beispiel 17.2}
Sei \(X=[0,2\pi]\). Für \(k\in\MdZ\) und \(t\in\mdr\) setzen wir
\begin{align*}
e_k(t):=e^{ikt}=\cos(kt)+i\sin(kt) && \text{ und } && b_k:=\frac1{\sqrt{2\pi}}e_k
\end{align*}
Dann gilt: \(b_k,e_k\in L^2([0,2\pi],\mdc)\) und \[\int_0^{2\pi}e_0(t)\,dt=2\pi\]
Für \(k\in\MdZ\) und \(k\neq0\) ist
\begin{align*}
\int_0^{2\pi}e_k(t)\,dt=\left.\frac1{ik}e^{ikt}\right\rvert_0^{2\pi}
= \frac1{ik}\left(e^{2\pi ki}-1\right)=0
\intertext{Damit ist}
(b_k\mid b_l) = \int^{2\pi}_0 b_k\overline{b_l}\,dt = \frac1{2\pi}\int_0^{2\pi}e^{ikt}e^{-ilt}\,dt
= \frac1{2\pi}\int_0^{2\pi}e^{i(k-l)t}\,dt =
\begin{cases}
1 ,\text{falls } k=l\\
0 ,\text{falls }k\neq l
\end{cases}
\end{align*}
Insbesondere ist \(\| b_k\|_2=1\). Das heißt \(\{b_k\mid k\in\MdZ\}\) ist ein
\textbf{Orthonormalsystem} in \(L^2([0,2\pi],\mdc)\).
Zur Übung: \(\{b_k\mid k\in\MdZ\}\) ist linear unabhängig in \(L^2([0,2\pi],\mdc)\).
\end{wichtigesbeispiel}
\begin{definition}
Sei \((\alpha_k)_{k\in\MdZ}\) eine Folge in \(\mdc\) und \((f_k)_{k\in\MdZ}\) eine Folge in
\(L^2(X,\mdc)\).
\begin{enumerate}
\item Für \(n\in\mdn_0\) setze
\[s_n:=\sum^n_{k=-n}\alpha_k = \sum_{\lvert k\rvert\leq n}\alpha_k
=\alpha_{-n}+\alpha_{-(n-1)}+\dots+\alpha_0+\alpha_1+\dots+\alpha_n\]
Existiert \(\lim_{n\to\infty}s_n\) in \(\mdc\), so schreiben wir
\(\sum_{k\in\MdZ}\alpha_k:=\lim_{n\to\infty}s_n\)
\item Für \(n\in\mdn_0\) setze
\[\sigma_n:=\sum^n_{k=-n}f_k=\sum_{\lvert k\rvert\leq n}f_k\]
Gilt für ein \(f\in L^2(X,\mdc)\):
\(\| f-\sigma_n\|_2\overset{n\to\infty}\longrightarrow 0\), so schreiben
wir \[f\overset{\|\cdot\|_2}=\sum_{k\in\MdZ}f_k \ \ \
\left(=\lim_{n\to\infty}\sigma_n \text{ im Sinne der } L^2\text{-Norm}\right)\]
\end{enumerate}
\end{definition}
\begin{definition}
\index{Orthonormalbasis}
Sei \(\{b_k\mid k\in\MdZ\}\) wie in \ref{Beispiel 17.2}. \(\{b_k\mid k\in\MdZ\}\) heißt eine
\textbf{Orthonormalbasis (ONB)} von \(L^2([0,2\pi],\mdc)\) genau dann, wenn es zu jedem
\(f\in L^2([0,2\pi],\mdc)\) eine Folge \[(c_k)_{k\in\MdZ}=(c_k(f))_{k\in\MdZ}\] gibt, mit
\[(\ast)\ \ \ \ \ \ \ \ \ f\overset{\|\cdot\|_2}=\sum_{k\in\MdZ}c_kb_k \]
\textbf{Frage:} Ist \(\{b_k\mid k\in\MdZ\}\) eine ONB von \(L^2([0,2\pi],\mdc)\)?\\
\textbf{Antwort:} Ja! In \ref{Satz 18.5} werden wir sehen, dass \((\ast)\) gilt mit
\(c_k=(f\mid b_k)\).
\end{definition}
\chapter{Fourierreihen}
\label{Kapitel 18}
In diesem Kapitel sei stets \(X=[0,2\pi]\), \(L^2:=L^2([0,2\pi],\mdc)\) und
\(L^2_\mdr:=L^2([0,2\pi],\mdr)\). Weiter sei \(\{b_k\mid k\in\MdZ\}\) wie in \ref{Beispiel 17.2}.
\begin{satz}
\label{Satz 18.1}
Ist \(f\in L^2\) und gilt mit einer Folge \((c_k)_{k\in\MdZ}\) in \(\mdc\):
\(f\overset{\|\cdot\|_2}=\sum_{k\in\MdZ}c_kb_k \), so gilt:
\[c_k=(f\mid b_k) \text{ für alle } k\in\MdZ\]
\end{satz}
\begin{beweis}
Für \(n\in\mdn_0\) setze \[\sigma_n:=\sum_{\lvert k\rvert\leq n}c_kb_k\] Aus der Voraussetzung folgt
\(\| \sigma_n-f\|_2\to 0\) für \(n\to\infty\). Sei \(j\in\MdZ\) und \(n\in\mdn\) mit
\(n\geq \lvert j\rvert\). Es gilt einerseits
\[(\sigma_n\mid b_j) = \sum_{\lvert k\rvert\leq n}c_k(b_k\mid b_j)=c_j, \text{ da gilt: }
(b_k\mid b_j)=
\begin{cases}
0, \text{ falls } k\neq j\\
1, \text{ falls } k= j
\end{cases}\]
Andererseits: \((\sigma_n\mid b_j)\to(f\mid b_j)\) für \(n\to\infty\) wegen \ref{Beispiel 16.6}(3). Daraus
folgt \(c_j=(f\mid b_j)\)
\end{beweis}
\begin{definition}
\index{Fourier ! -sche Partialsumme}
\index{Fourier ! -koeffizient}
\index{Fourier ! -reihe}
Sei \(f\in L^2\), \(n\in\mdn_0\) und \(k\in\MdZ\).
\begin{enumerate}
\item \(S_nf:=\sum_{\lvert k\rvert\leq n}(f\mid b_k)b_k\) heißt
\textbf{n-te Fouriersche Partialsumme}. Also gilt:
\[f\overset{\|\cdot\|_2}
=\sum_{k\in\MdZ}(f\mid b_k)b_k\gdw\| f-S_nf\|_2
\to0\]
\item \((f\mid b_k)\) heißt \textbf{k-ter Fourierkoeffizient von f}.
\item \(\sum_{k\in\MdZ}(f\mid b_k)b_k\) heißt \textbf{Fourierreihe von f}.
\item Für \(n_0\in\mdn_0\) setze
\(E_n:=[b_{-n},b_{-(n-1)},\dots,b_0,b_1,\dots,b_n]\)
(lineare Hülle). Es ist dann \[\dim E_n=2n+1\]
\textbf{Beachte: } Für \(v\in E_n\) gilt \(v(0)=v(2\pi)\).
\end{enumerate}
\end{definition}
\begin{satz}
\label{Satz 18.2}
\index{Besselsche Ungleichung}
\index{Ungleichung ! Besselsche}
Seien \(f_1,\dots,f_n,f\in L^2\).
\begin{enumerate}
\item Gilt \(f_\mu\perp f_\nu\) für \(\mu\neq\nu\) (\(\mu,\nu=1,\dots,n\)),
so gilt der Satz des Pythagoras
\[\| f_1+\dots+f_n\|^2_2=
\| f_1\|^2_2+\dots+
\| f_n\|^2_2\]
\item Die Abbildung \[S_n\colon
\begin{cases}
L^2\to E_n\\
S_nf:=\sum_{\lvert k\rvert\leq n}(f\mid b_k)b_k
\end{cases}\]
ist linear und für jedes \(v\in E_n\) gilt \(S_nv=v\) und
\((f-S_nf)\perp v\) mit \(f\in L^2\).
\item Die \textbf{Besselsche Ungleichung} lautet:
\[\| S_nf\|^2_2
=\sum_{\lvert k\rvert\leq n}\lvert(f\mid b_k)\rvert^2
=\| f\|_2^2-\|(f-S_nf)\|^2_2
\leq\| f\|^2_2\]
\item Für alle \(v\in E_n\) gilt:
\[\| f-S_nf\|_2\leq\| f-v\|_2
\]
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{beweis}
\begin{enumerate}
\item Es genügt den Fall \(n=2\) zu betrachten, der Rest folgt induktiv.
\begin{align*}
\| f_1+f_2\|_2^2
&= (f_1+f_2\mid f_1+f_2) \\
&= (f_1\mid f_1)+(f_1\mid f_2)+(f_2\mid f_1)+(f_2\mid f_2) \\
&= (f_1\mid f_1)+(f_2\mid f_2) \\
&=\| f_1\|^2_2+\| f_2\|^2_2
\end{align*}
\item Übung!
\item Es gilt
\begin{align*}
\| S_nf\|^2_2
&= \left\lvert\left\lvert\sum_{\lvert k\rvert\leq n}(f\mid b_k)b_k\right\rvert
\right\rvert^2_2
\overset{(1)}=
\sum_{\lvert k\rvert\leq n}\|(f\mid b_k)b_k\rvert
\rvert^2_2
= \sum_{\lvert k\rvert\leq n}\lvert(f\mid b_k)\rvert^2\| b_k\rvert
\rvert^2_2
= \sum_{\lvert k\rvert\leq n}\lvert(f\mid b_k)\rvert^2
\end{align*}
und
\begin{align*}
\| f\|^2_2
= \|\underbrace{(f-S_nf)}_{\underset{(2)}\perp E_n}
+\underbrace{S_nf}_{\in E_n}\|^2_2
= \| f-S_nf\|^2_2 + \| S_nf\|^2_2
\end{align*}
\item Sei \(v\in E_n\). Dann gilt:
\begin{align*}
\| f-v\|^2_2
&= \|\underbrace{(f-S_nf)}_{\perp E_n}
+\underbrace{(S_nf-v)}_{\in E_n}\|^2_2 \\
&\overset{(1)}=
\| f-S_nf\|^2_2
+\| S_nf-v\|^2_2 \\
&\geq \| f-S_nf\|^2_2
\end{align*}
\end{enumerate}
\end{beweis}
\begin{wichtigebemerkung}
\label{Bemerkung 18.3}
Es sei \(\mdk\in\{\mdr,\mdc\},\,a,b\in\mdr,\,I:=[a,b]\,(a<b)\) und \(f_{n},\,f,\,g\in C(I,\mdk)\); es war
\(\lVert f\rVert_{\infty}:=\max_{t\in I}\lvert f(t)\rvert\).
\begin{enumerate}
\item \((f_{n})\) konvergiert auf \(I\) gleichmäßig gegen \(f\) genau dann, wenn
\(\lVert f_{n}-f\rVert_{\infty}\to 0\,(n\to\infty)\) (vgl. Analysis I/II).
\item \(f\in\mathrm{L}^{p}(I,\mdk)\) und \(\lVert f\rVert_{p}\leq(b-a)^{\frac{1}{p}}\lVert f\rVert_{\infty}\) (siehe \ref{Satz 16.2}).
\item Gilt \(f=g\) fast überall, so ist \(f=g\) auf \(I\).
\begin{beweis}
Es existiert eine Nullmenge \(N\subseteq I:\,f(x)=g(x)\,\forall x\in I\setminus N\).\\
Sei \(x_{0}\in\mdn\). Für \(\ep>0\) gilt: \(U_{\ep}(x_{0})\cap I\not\subseteq N\) (andernfalls:
\(\lambda_{1}(N)\geq\lambda_{1}(U_{\ep}(x_{0})\cap I)>0\)). Das heißt, es existiert ein
\(x_{\ep}\in U_{\ep}(x_{0})\cap I:\,x_{\ep}\not\in N\). Also:
\(\forall n\in\mdn\,\exists x_{n}\in U_{\frac{1}{n}}(x_{0})\cap I:\, x_{n}\not\in N\). Also: \(x_{n}\to x_{0}\).\\
Dann: \(f(x_{0})=\lim_{n\to\infty}f(x_{n})=\lim_{n\to\infty}g(x_{n})=g(x_{0})\)
\end{beweis}
\end{enumerate}
\end{wichtigebemerkung}
\begin{satz}[Approximationssatz von Weierstraß]
\label{Satz 18.4}
Es sei \(I=[a,b]\) wie in \ref{Bemerkung 18.3} und \(\mdk\in\{\mdr, \mdc\}\).
\begin{enumerate}
\item Ist \(f\in C(I,\mdk)\) und \(\ep>0\), so existiert ein Polynom \(p\) mit Koeffizienten in \(\mdk\) mit:
\[
\lVert f-p\rVert_{\infty}<\ep
\]
\item Ist \(a=0,\,b=2\pi,\,f\in C(I,\mdk),\,f(0)=f(2\pi)\) und \(\ep>0\), so existiert ein \(n\in\mdn\) und ein
\(v\in\mathrm{E}_{n}\) mit:
\[
\lVert f-v\rVert_{\infty}<\ep
\]
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{satz}
\label{Satz 18.5}
Sei \(f\in\mathrm{L}^{2}\). Dann gilt: \(f\overset{\lVert\cdot\rVert_{2}}{=}\sum_{k\in\mdz}{(f\mid b_{k})b_{k}}\) und
\[\lVert f\rVert_{2}^{2}=\sum_{k\in\mdz}{\lvert(f\mid b_{k})\rvert^{2}}\quad\text{(\textbf{Parsevalsche Gleichung})}\] Insbesondere gilt:
\((f\mid b_{k})\to 0\quad(\lvert k\rvert\to\infty)\).
\end{satz}
\begin{beweis}
Zu zeigen: \(\lVert f-S_{n}f\rVert_{2}\to0\,(n\to\infty)\). Die Parsevalsche Gleichung folgt dann aus \ref{Satz 18.2}.\\
Sei \(\ep>0\). Wende \ref{Satz 16.8}(2) auf \(\Re f\) und \(\Im f\) an. Dies liefert eine stetige Funktion
\(g:\,(0,2\pi)\to\mdc\) mit: \(K:=\supp(g)\subseteq(0,2\pi)\), \(K\) kompakt und \(\lVert f-g\rVert_{2}<\ep\).\\
Setze \(g(0):=g(2\pi):=0\). Dann ist \(g\) stetig auf \([0,2\pi]\). Satz \ref{Satz 18.4} liefert nun:
\(\exists n\in\mdn\exists v\in\mathrm{E}_{n}:\,\lVert g-v\rVert_{\infty}<\ep\).\\
Damit: \(\lVert g-v\rVert_{2}\leq\sqrt{2\pi}\lVert g-v\rVert_{\infty}<\sqrt{2\pi}\ep\). Somit:
\begin{align*}
\lVert f-S_{n}f\rVert_{2}&=\lVert f-g+g-S_{n}g+S_{n}g-S_{n}f\rVert_{2}\\
&\leq\underbrace{\lVert f-g\rVert_{2}}_{<\ep}
+\underbrace{\lVert g-S_{n}g\rVert_{2}}_{\overset{18.2(4)}{\leq}\lVert g-v\lVert_2}
+\underbrace{\lVert S_{n}(g-f)\rVert_{2}}_{\overset{18.2(3)}{\leq}\lVert g-f\lVert_2}\\
&<2\ep+\sqrt{2\pi}\ep=\ep(2+\sqrt{2\pi})
\end{align*}
Sei \(m\geq n\). Dann gilt: \(\mathrm{E}_{n}\subseteq\mathrm{E}_{m}\), also \(w:=S_{n}f\in\mathrm{E}_{m}\). Damit:
\[
\lVert f-S_{m}f\rVert_{2}\leq\lVert f-w\rVert_{2}=\lVert f-S_{n}f\rVert_{2}<\ep(2+\sqrt{2\pi})
\]
\end{beweis}
\subsubsection*{Reelle Version}
Sei \(f\in\mathrm{L}^{2}_{\mdr}\).
Es gelten die folgenden Bezeichnungen:
\begin{enumerate}
\item Für \(k\in\mdn\) bezeichnen wir die Funktionen \(t\mapsto\cos(kt)\) und \(t\mapsto\sin(kt)\) mit \(\cos(k\cdot)\) bzw.
\(\sin(k\cdot)\).
\item Für \(k\in\mdn_{0}:\,\alpha_{k}:=\frac{1}{\pi}\int_{0}^{2\pi}{f(t)\cos(kt)\mathrm{d}t}=\frac{1}{\pi}\Re(f\mid e_{k})\).\\
Für \(k\in\mdn:\,\beta_{k}:=\frac{1}{\pi}\int_{0}^{2\pi}{f(t)\sin(kt)\mathrm{d}t}=\frac{1}{\pi}\Im(f\mid e_{k}),\,\beta_{0}:=0\).
\end{enumerate}
\begin{definition}
\index{gerade Funktion}
\index{ungerade Funktion}
\(f\) heißt \textbf{gerade} (bezüglich \(\pi\)) genau dann, wenn gilt: \(f(t)=f(2\pi-t)\) für fast alle \(t\in[0,2\pi]\).\\
\(f\) heißt \textbf{ungerade} (bezüglich \(\pi\)) genau dann, wenn gilt: \(f(t)=-f(2\pi-t)\) für fast alle \(t\in[0,2\pi]\).\\
% Bild nicht vergessen
\end{definition}
\begin{satz}
\label{Satz 18.6}
(Dieser Satz folgt aus \ref{Satz 18.5} und ``etwas'' rechnen)\\
Sei \(f\in\mathrm{L}^{2}_{\mdr}\) und \(n\in\mdn_{0}\).
\begin{enumerate}
\item \(S_{n}f=\frac{\alpha_{0}}{2}+\sum_{k=1}^{n}{(\alpha_{k}\cos(k\cdot)+\beta_{k}\sin(k\cdot))}\)
\item \(f\overset{\lVert\cdot\rVert_{2}}{=}\frac{\alpha_{0}}{2}+\sum_{k=1}^{\infty}{(\alpha_{k}\cos(k\cdot)+\beta_{k}\sin(k\cdot))}\)
\item \(\frac{1}{\pi}\lVert f\rVert_{2}^{2}=\frac{\alpha_{0}^{2}}{2}+\sum_{k=1}^{\infty}{(\alpha_{k}^{2}+\beta_{k}^{2})}\quad\)
(Parsevalsche Gleichung)\\
Insbesondere gilt: \(\alpha_{k}\to0,\,\beta_{k}\to0\quad(k\to\infty)\)
\item Ist \(f\) gerade, so sind alle \(\beta_{k}=0\) und \(\alpha_{k}=\frac{2}{\pi}\int_{0}^{\pi}{f(t)\cos(kt)\mathrm{d}t}\). Die
Fourierreihe von \(f\) ist eine \textbf{Cosinusreihe}.\\
Ist \(f\) ungerade, so sind alle \(\alpha_{k}=0\) und \(\beta_{k}=\frac{2}{\pi}\int_{0}^{\pi}{f(t)\sin(kt)\mathrm{d}t}\). Die
Fourierreihe von \(f\) ist eine \textbf{Sinusreihe}.
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{beispiele}
\begin{enumerate}
\item \(f(t):=\begin{cases}1,&0\leq t\leq\pi\\-1,&\pi<t\leq 2\pi\end{cases}\)
\(f\) ist ungerade, also \(\alpha_{k}=0\,\forall k\in\mdn_{0}\). Es ist
\(\beta_{k}=\frac{2}{\pi}\int_{0}^{\pi}{\sin(kt)\mathrm{d}t}=\begin{cases}0,&k\text{ gerade}\\\frac{4}{k\pi},&k\text{ ungerade}\end{cases}\).\\
Damit:
\[
f\overset{\lVert\cdot\rVert_{2}}{=}\frac{4}{\pi}\sum_{j=0}^{\infty}{\frac{\sin((2j+1)\cdot)}{2j+1}}
\]
Beachte: \((S_{n}f)(0)=0\to 0\neq1=f(0)\) und \((S_{n}f)(2\pi)=0\to 0\neq -1=f(2\pi)\).
\item \(f(t):=\begin{cases}t,&0\leq t\leq\pi\\2\pi-t,&\pi\leq t\leq 2\pi\end{cases}\)\\
\(f\) ist gerade, das heißt \(\beta_{k}=0\,\forall k\in\mdn\) und \(\alpha_{k}=\frac{2}{\pi}\int_{0}^{\pi}{t\cos(kt)\mathrm{d}t},\,\alpha_{0}=\pi\).\\
Für \(k\geq 1:\quad\alpha_{k}=\begin{cases}0,&k\text{ gerade}\\-\frac{4}{\pi k^{2}},&k\text{ ungerade}\end{cases}\).\\
Damit:
\[
f\overset{\lVert\cdot\rVert_{2}}{=}\frac{\pi}{2}-\frac{4}{\pi}\sum_{j=0}^{\infty}{\frac{\cos((2j+1)\cdot)}{(2j+1)^{2}}}
\]
\end{enumerate}
\end{beispiele}
% Ende der reellen Version
\begin{satz}
\label{Satz 18.7}
Sei $f \in L^2$ und $\sum_{k \in \MdZ} |(f|b_k)| < \infty$. Dann:
\begin{enumerate}
\item Die Reihe $\sum_{k \in \MdZ} (f\mid b_k) b_k(t)$ konvergiert auf $[0, 2 \pi ]$ absolut und gleichmäßig.
Setzt man $g(t) := \sum_{k \in \MdZ} (f\mid b_k)b_k(t)$ für $t \in [0, 2\pi ]$, so ist $g$ stetig, $g(0)=g(2\pi )$ und $f=g$ f.ü. auf $[0,2 \pi ]$.
\item Ist $f$ stetig, so gilt $f=g$ auf $[0,2\pi ]$, also:
\begin{equation*}
\label{Gleichung 2, Satz 18.7}
f(t)=\sum_{k\in\MdZ}(f\mid b_k)b_k(t)\quad\forall t\in[0,2\pi]
\end{equation*}
Insbesondere: $f(0)=f(2\pi)$
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{beweis}
\begin{enumerate}
\item $f_k(t) := (f\mid b_k)b_k(t)$;
\[
\lvert f_k(t)\rvert=\lvert(f\mid b_k)\rvert\cdot\lvert b_k(t)\rvert=\frac{1}{\sqrt{2\pi}}\lvert(f\mid b_k)\rvert\quad\forall t \in [0,2\pi ] \forall k \in \MdZ
\]
Aus Analysis I, 19.1(2) (Konvergenzkriterium von Weierstraß) folgt: Die Reihe in (1) konvergiert auf $[0,2\pi]$ absolut und gleichmäßig.
Aus Analysis I, 19.2 folgt: $g$ ist stetig.
Klar: $g(0) = g(2\pi )$.
\[ s_n(t) := \sum_{\lvert k\rvert \leq n} f_k(t) \quad (n \in \MdN_0, t \in [0,2\pi ]).\]
Aus \ref{Satz 18.5} folgt: $\| f-s_n \|_2 \to 0 (n\to \infty )$.
$\| g-s_n \|_2 \overset{18.3(2)}{\leq} \| g-s_n \|_\infty \sqrt{2\pi } \to 0 (n\to \infty )$
Also: $\| g -s_n\|_2 \to 0 (n \to \infty)$
Aus \ref{Satz 16.5} folgt: $f=g$ f.ü.
\item $f=g$ f.ü. $\overset{18.3(3)}{\implies}\,f=g$ auf $[0,2\pi]$.
\end{enumerate}
\end{beweis}
\begin{satz}
\label{Satz 18.8}
$f \in L^2_\MdR$ und die Folgen $(\alpha_k )$ und $(\beta_k )$ seien definiert wie im Abschnitt ``Reelle Version''. Weiter gelte: $\sum_{k=1}^\infty\lvert\alpha_k\rvert<\infty$ und $\sum_{k=1}^\infty\lvert\beta_k\rvert<\infty$. Dann gelten die Aussagen in \ref{Satz 18.7} für die Reihen in \ref{Satz 18.6}.
\end{satz}
\begin{satz}
\label{Satz 18.9}
Sei $f:[0,2\pi] \to \MdC$ \textbf{stetig differenzierbar} und $f(0)=f(2\pi)$.
\begin{enumerate}
\item Es ist $(f'\mid b_k)=ik(f\mid b_k)\quad\forall k\in\MdZ$
\item $\sum_{k\in\MdZ}\lvert(f\mid b_k)\rvert<\infty$ (d.h.: die Voraussetzungen von \ref{Satz 18.7} sind erfüllt)
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{beweis}
\begin{enumerate}
\item \begin{align*}
(f'|b_k) &= \frac{1}{\sqrt{2\pi}} \int_0^{2\pi} f'(t)e^{-ikt} \text{ d}t \\
&\overset{P.I.}{=} \frac{1}{\sqrt{2\pi}} \left[ f(t)e^{-ikt} \right]_0^{2\pi} - \frac{1}{\sqrt{2\pi}}\int_0^{2\pi} f(t)(-ik)e^{-ikt}\text{ d}t \\
&= \frac{1}{\sqrt{2\pi}}(f(2\pi ) - f(0)) + ik(f|b_k).
\end{align*}
\item Setze $\sigma_n := \sum_{|k|\leq n} |(f|b_k)| \quad (n \in \MdN_0)$. Es genügt zu zeigen: $(\sigma_n )$ ist beschränkt. Klar: $0 \leq \sigma_n$.
\begin{align*}
\sigma_n - |(f|b_0)| &= \sum_{0<|k|\leq n} |(f|b_k)| \overset{(1)}{=} \sum_{0<|k|\leq n} \underbrace{\frac{1}{|k|}}_{:= u_k}\underbrace{(f'|b_k)}_{:= v_k} \\
&= \sum_{0<|k|\leq n} u_k v_k \overset{\text{CS-Ugl.}}{\leq} \left( \sum_{0<|k|\leq n} u_k^2 \right)^\frac{1}{2} \left( \sum_{0<|k|\leq n} v_k^2 \right)^\frac{1}{2}\\
&= \left( 2\sum_{k=1}^n u_k^2 \right)^\frac{1}{2} \underbrace{ \left( \sum_{0<|k|\leq n} v_k^2 \right)^\frac{1}{2} }_{ \overset{18.2(3)}{\leq} \|f'\|_2} \\
&\leq \left( 2\sum_{k=1}^\infty u_k^2 \right)^\frac{1}{2} \| f' \|_2
\end{align*}
\end{enumerate}
\end{beweis}
\begin{beispiel}
\begin{enumerate}
\item $f$ sei wie im Beispiel (2) vor \ref{Satz 18.7}. Es war:
\[ f \overset{\| \cdot \|_2}{=} \frac{\pi}{2} - \frac{4}{\pi} \sum_{j=0}^\infty \frac{\cos((2j+1) \cdot )}{(2j+1)^2} \quad \quad \left(\alpha_{2j+1} = \frac{1}{(2j+1)^2}, \alpha_{2j} = 0 \right) \]
Aus \ref{Satz 18.7} bzw. \ref{Satz 18.8} folgt:
\[ f(t) = \frac{\pi}{2} - \frac{4}{\pi} \sum_{j=0}^\infty \frac{\cos((2j+1) t )}{(2j+1)^2} \quad \forall t \in [0,2\pi] \]
Setzt man nun $t=0$, folgt
\[ 0 = \frac{\pi}{2} - \frac{4}{\pi} \sum_{j=0}^\infty \frac{1}{(2j+1)^2} \]
und man erhält durch Umstellen eine Auswertung für diese eigentlich kompliziert wirkende Reihe:
\[ \sum_{j=0}^\infty \frac{1}{(2j+1)^2} = \frac{1}{1^2} + \frac{1}{3^2} + \frac{1}{5^2} + \dots = \frac{\pi^2}{8} \]
(dass diese Reihe konvergiert, ist eine einfache Übung aus Ana I; ihren Wert aber haben wir bislang noch nicht berechnet)
\item $f(t) = (t - \pi)^2 \quad (t \in [0,2\pi])$. $f$ ist gerade bzgl. $\pi$, also ist $\beta_k = 0$. Es ist
\[ \alpha_k = \begin{cases} \frac{2}{3}\pi^2, &k=0\\ \frac{4}{k^2}, &k \geq 1 \end{cases} \quad \text{(nachrechnen!)}\]
Also:
\[ f \overset{\| \cdot \|_2}{=} \frac{\pi^2}{3} + 4 \sum_{j=1}^\infty \frac{\cos(j \cdot)}{j^2} \]
Aus \ref{Satz 18.9} bzw. \ref{Satz 18.7}(2) folgt:
\[ f(t) = \frac{\pi^2}{3} + 4 \sum_{j=1}^\infty \frac{\cos(j t)}{j^2} \quad \forall t \in [0, 2\pi] \]
Setzt man nun $t=0$, erhält man
\[ \pi^2 = \frac{\pi^2}{3} + 4 \sum_{j=1}^\infty \frac{1}{j^2}, \text{ also } \sum_{j=1}^\infty \frac{1}{j^2} = \frac{\pi^2}{6} \]
Damit erhält man z.B. auch
\[ \sum_{j=1}^\infty \frac{1}{(2j)^2} = \frac{1}{4} \sum_{j=1}^\infty \frac{1}{j^2} = \frac{\pi^2}{24} \]
und damit
\[ \sum_{j=1}^\infty \frac{(-1)^{j+1}}{j^2} = \frac{1}{1^2} - \frac{1}{2^2} + \frac{1}{3^2} - \frac{1}{4^2} \pm \dots = \frac{\pi^2}{8} - \frac{\pi^2}{24} = \frac{\pi^2}{12} \]
\end{enumerate}
\end{beispiel}