In diesem Kapitel seien $\emptyset\ne X,Y,Z$ Mengen.
\begin{definition}
\index{messbar!Raum}\index{Raum!messbarer}
Ist $\fa$ eine $\sigma$-Algebra auf $X$, so heißt $(X,\fa)$ ein \textbf{messbarer Raum}.
\end{definition}
\begin{definition}
\index{$\fa$-$\fb$-messbar}
\index{messbar!Funktion}
Sei $\fa$ eine $\sigma$-Algebra auf $X$, $\fb$ eine $\sigma$-Algebra auf $Y$ und $f:X\to Y$ eine Funktion. $f$ heißt genau dann \textbf{$\fa$-$\fb$-messbar}, wenn gilt:
\[\forall B\in\fb: f^{-1}(B)\in\fa\]
\end{definition}
\begin{bemerkung}
Seien die Bezeichnungen wie in obiger Definition, dann gilt:
\begin{enumerate}
\item$f$ sei $\fa$-$\fb$-messbar, $\fa'$ eine weitere $\sigma$-Algebra auf $X$ mit $\fa\subseteq\fa'$ und $\fb'$ sei eine $\sigma$-Algebra auf $Y$ mit $\fb'\subseteq\fb$.\\
\item Sei $\fa$ eine $\sigma$-Algebra auf $X$ und $A\subseteq X$. $\mathds{1}_A:X\to\mdr$ ist genau dann $\fa$-$\fb_1$-messbar, wenn $A\in\fa$ ist.
\item Sei $X=\mdr^d$. Ist $A\in\fb_d$, so ist $\mathds{1}_A$$\fb_d$-$\fb_1$-messbar.
\item Ist $C$ wie in \ref{Satz 2.11}, so ist $\mathds{1}_C$ nicht $\fb_d$-$\fb_1$-messbar.
\item Es sei $f:X\to Y$ eine Funktion und $\fb$ ($\fa$) eine $\sigma$-Algebra auf $Y$ ($X$), dann ist $f$$\cp(X)$-$\fb$-messbar ($\fa$-$\{Y,\emptyset\}$-messbar).
\end{enumerate}
\end{beispiel}
\begin{satz}
\label{Satz 3.1}
Seien \(\fa,\,\fb,\,\fc\)\(\sigma\)-Algebren auf \(X,\,Y\) bzw. \(Z\). Weiter seien \(f:\,X\to Y\) und \(g:\,Y\to Z\)
Funktionen.
\begin{enumerate}
\item Ist \(f\)\(\fa-\fb-\)messbar und ist \(g\)\(\fb-\fc-\)messbar, so ist \(g\circ f:\,X\to Z\)\(\fa-\fc-\)messbar.
\item Sei \(\emptyset\neq\ce\subseteq\cp(Y)\) und \(\sigma(\ce)=\fb\). Dann:
\begin{center}
\(f\) ist \(\fa-\fb-\)messbar, genau dann, wenn gilt: \(\forall E\in\ce:\,f^{-1}(E)\in\fa\)
\end{center}
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{beweis}
\begin{enumerate}
\item Sei \(C\in\fc\); \(g\) ist messbar, daraus folgt \(g^{-1}(C)\in\fb\);
\(f\) ist messbar, daraus folgt \(f^{-1}(g^{-1}(C))=(g\circ f)^{-1}(C)\in\fa\)
\item\begin{itemize}
\item[\(\Rightarrow\)]\checkmark
\item[\(\Leftarrow\)]\(\fd:=\Set{B\subseteq Y | f^{-1}(B)\in\fa}\)
Übung: \(\fd\) ist eine \(\sigma\)-Algebra auf \(Y\).
Aus der Voraussetzung folgt: \(\ce\subseteq\fd\).
Dann: \(\fb=\sigma(\ce)\subseteq\fd\). Ist \(B\in\fb\), so ist \(B\in\fd\), also
\(f^{-1}(B)\in\fa\).
\end{itemize}
\end{enumerate}
\end{beweis}
\begin{definition}
\index{messbar!Borel}\index{messbar}
Sei \(X\in\fb_{d}\). Ist \(f:\,X\to\mdr^{k}\)\(\fb(X)-\fb_{k}-\)messbar, so heißt \(f\)\textbf{(Borel-)messbar}.
\item Die Funktion $f:X\to\imdr$ kann aufgefasst werden als Funktion $\overline{f}:X\to\imdr$. Es ist $f$ genau dann $\fb(X)$-$\fb_1$-messbar wenn $\overline{f}$$\fb(X)$-$\overline{\fb_1}$-messbar ist.
\item$f_+:=\max\{f,0\}$ heißt \textbf{Positivteil} von $f$.
\item$f_-:=\max\{-f,0\}$ heißt \textbf{Negativteil} von $f$.
\end{enumerate}
Es gilt $f_+,f_-\ge0$, $f=f_+-f_-$ und $|f|=f_++f_-$.
\end{definition}
\begin{satz}
\label{Satz 3.6}
Seien $f,g:X\to\imdr$ und $\alpha,\beta\in\mdr$.
\begin{enumerate}
\item Sind $f,g$ messbar und ist $\alpha f(x)+\beta g(x)$ für jedes $x\in X$ definiert, so ist $\alpha f+\beta g$ messbar.
\item Sind $f,g$ messbar und ist $f(x)g(x)$ für jedes $x\in X$ definiert, so ist $fg$ messbar.
\item$f$ ist genau dann messbar, wenn $f_+$ und $f_-$ messbar sind. In diesem Fall ist auch $|f|$ messbar.
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{beweis}
\begin{enumerate}
\item[(1)+(2)] Für alle $n\in\mdn, x\in X$ seien $f_n$ und $g_n$ wie folgt definiert:
\begin{align*}
f_n(x)&:=\max\{-n,\min\{f(x),n\}\}\\
g_n(x)&:=\max\{-n,\min\{g(x),n\}\}
\end{align*}
Dann sind $f_n(x),g_n(x)\in[-n,n]$ für alle $n\in\mdn,x\in X$. Nach \ref{Satz 3.2}(3) sind also $\alpha f_n+\beta g_n$ und $f_ng_n$ messbar. Außerdem gilt:
\item[(3)] Nach \ref{Satz 3.5}(1) sind $f_+$ und $f_-$ messbar, wenn $f$ messbar ist. Die umgekehrte Implikation folgt aus \ref{Satz 3.6}(1). Sind $f_+$ und $f_-$ messbar, so folgt ebenfalls aus \ref{Satz 3.6}(1), dass $|f|=f_++f_-$ messbar ist.
\end{enumerate}
\end{beweis}
\begin{beispiel}
Sei $C\subseteq\mdr^d$ wie in \ref{Satz 2.11}, also $C\not\in\fb_d$. Definiere $f:\mdr^d\to\mdr$ wie folgt:
Dann ist $\{f\ge1\}=C$, also $f$\textbf{nicht} messbar. Aber für alle $x\in\mdr^d$ ist $|f(x)|=1$, also $|f|=\mathds{1}_{\mdr^d}$ und damit messbar.
\end{beispiel}
\begin{definition}
\index{einfach}
\index{Treppenfunktion}
\index{Normalform}
$f:X\to\mdr$ sei messbar.
\begin{enumerate}
\item$f$ heißt \textbf{einfach} oder \textbf{Treppenfunktion}, genau dann wenn $f(X)$ endlich ist.
\item$f$ sei einfach und $f(X)=\{y_1,\dots,y_m\}$ mit $y_i\ne y_j$ für $i\ne j$. Sei weiter $A_j:=f^{-1}(\{y_j\})$ für $j=1,\dots,m$. Dann sind $A_1,\dots,A_m\in\fb(X)$ und $X=\bigcup_{j=1}^m A_j$ disjunkte Vereinigung.
Wobei das letzte die Normalform von $f$ ist. Man sieht also, dass einfache Funktionen mehrere Darstellungen haben können.
\end{beispiel}
\begin{satz}
\label{Satz 3.7}
Linearkombinationen und Produkte, sowie endliche Maxima und Minima einfacher Funktionen, sind einfach.
\end{satz}
\begin{satz}
\label{Satz 3.8}
\index{zulässig}
Sei $f:X\to\imdr$ messbar.
\begin{enumerate}
\item Ist $f\ge0$ auf $X$, so existiert eine Folge $(f_n)$ von einfachen Funktionen $f_n:X\to[0,\infty)$, sodass $0\le f_n\le f_{n+1}$ auf $X$ ($\forall n\in\mdn$) und $f_n(x)\stackrel{n\to\infty}{\to}f(x)$ ($\forall x\in X$). In diesem Fall heißt $(f_n)$\textbf{zulässig} für $f$.
\item Es existiert eine Folge $(f_n)$ von einfachen Funktionen $f_n:X\to\mdr$, sodass $|f_n|\le |f|$ auf $X$ ($\forall n\in\mdn$) und $f_n(x)\stackrel{n\to\infty}{\to}f(x)$ ($\forall x\in X$).
\item Ist $f$ beschränkt auf $X$ (also insbesondere $\pm\infty\not\in f(X)$), so kommt in (2) noch hinzu, dass $(f_n)$ auf $X$ gleichmäßig gegen $f$ konvergiert.
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{folgerungen}[(Beweis mit 3.8(2) und 3.5)]
Sei $f:X\to\imdr$ eine Funktion, dann ist $f$ genau dann messbar, wenn eine Folge einfacher Funktionen $(f_n)$ mit $f_n:X\to\mdr$ und $f_n(x)\stackrel{n\to\infty}\to f(x)$ für alle $x\in X$ existiert.
\end{folgerungen}
\begin{beweis}
\begin{enumerate}
\item Für $n\in\mdn$ definiere $\varphi_n:[0,\infty]\to[0,\infty)$ durch
\[\varphi_n(t):=\begin{cases}\frac{[2^nt]}{2^n}&,0\le t<n\\ n &,n\le t\le\infty\end{cases}\]
Dann ist $\varphi_n$$(\fb_1)_{[0,\infty]}$-$\fb_1$-messbar, außerdem gilt:
und es ist $\varphi_n(t)\stackrel{n\to\infty}\to t$ für alle $t\in[0\infty]$. Setze $f_n:=\varphi_n\circ f$. Dann leistet $(f_n)$ das gewünschte.
\item Es ist $f=f_+-f_-$ und $f_+,f_-\ge0$ auf $X$. Seien $(g_n),(h_n)$ zulässige Folgen für $f_+$ bzw. $f_-$. Definiere $f_n:=g_n-h_n$. Dann ist klar, dass gilt: